Ein Superman des Barock

Vivaldis „Il Giustino“ bei den Innsbrucker Festwochen der Alten Musik
Innsbruck Der Held von Vivaldis 1724 uraufgeführter Oper „Il Giustino“ ist ein Bauer, der seinem mühseligen Leben entkommen will und durch eine Serie von Heldentaten bis zum Kaiser aufsteigt. Er ist stark und furchtlos und immer im richtigen Moment zur Stelle, rettet Leocaste, die Schwester des Kaisers Anastasio, vor einem Bären (in Innsbruck sind es gleich drei) und dessen Gattin Arianna vor einem Seeungeheuer und besiegt schließlich den feindlichen Angreifer Vitaliano. Die Machtkämpfe und Intrigen sind mit Liebesgeschichten vermischt, die Göttin Fortuna erscheint Giustino im Traum und eine Stimme aus dem Grabe enthüllt seine wahre Herkunft. Ein barockes Libretto par excellence also, bei dem man verschiedene Akzente setzen kann. Claudia Isabel Martin Peragallo (Regie) und Polina Liefers (Bühne und Kostüm) akzentuieren weniger die politische Seite, sie setzen vielmehr auf die märchenhaften Züge des Librettos. Ob man dazu wirklich das Stück zu Anfang bei der Hochzeit des Kaiserpaares in ein viktorianisches Internat in Grautönen versetzen muss, wo das Personal in schwarzen Kitteln mit weißen Krägen geradezu calvinistisch lustfeindlich gekleidet ist (im Original spielt die Szene am byzantinischen Kaiserhof, also in maximaler Pracht), ist mehr als fragwürdig. Die Befürchtungen, dass es so weitergehen könnte, bewahrheiten sich zum Glück nicht. Mit mobilen quaderförmigen Bühnenelementen, deren Seiten Natur- und Architekturelemente zeigen, mit Wolken, die sich heben und senken und mit dem geschickten Einsatz der Drehbühne gelingen poetische Bilder; die raschen Szenenwechsel funktionieren fast mühelos. Nur ein Highlight: der finale Auftritt von Giustino mit seinen Brüdern, die wie die drei Musketiere im letzten Moment auf die Bühne stürzen. Der Einsatz von Tiermasken (Schafe und ein Fuchs) oder einem Schaukelpferd und eine Uhr, die sich rückwärts dreht, setzen fast surreale Akzente, die bunten, eleganten Kostüme tragen zum optischen Reiz bei.

Das Besondere an der Produktion „Barockoper:Jung“ im Haus der Musik sind aber die jungen Sängerinnen und Sänger, deren Einsatz und erstaunliches Können immer wieder begeistern. Star des Abends war die Sopranistin Jiayu Jin, die als Arianna mit Intensität und Leidenschaft überzeugte. Maximiliano Danta (Countertenor) als Anastasio ließ besonders in seinen lyrischen Arien durch innige Akzente aufhorchen, Sarah Hayashi als Leocaste und Fortuna jagte ihren hellen Sopran mühelos durch die Koloraturen. Der Bösewicht Vitaliano wurde vom Tenor Thoma Jaron-Wutz trotz Indisposition kraftvoll verkörpert. Auch Lucija Varšić (Mezzosopran) als Andronico in Frauenkleidern und Massimo Frigato (Tenor) als Polidarte lieferten solide Leistungen ab. Lediglich Benedetta Zanotto (Sopran) als machtgieriger General Amanzio hatte für diese Rolle doch eine etwas zu kleine Stimme. Der Superheld Giustino wurde von der Altistin Justina (!) Vaitkute mit langen blonden Locken und lässiger Souveränität (er ersticht ein Meeresungeheuer ganz nebenbei mit dem Schwert) und einer auch in den tiefen Registern klangschönen, beweglichen Stimme akustisch und optisch überzeugend verkörpert. Stefano Demicheli, in dessen Händen die musikalische Leitung lag, dirigierte umsichtig und mit Bedacht auf die Feinheiten der Partitur; das Barockorchester:Jung spielte frisch und plastisch, mit virtuosen Hörnern oder einem ätherischen Psalterio in den Solopartien.