Vorsicht vor den Stolperfallen
An dieser Stelle soll nicht das überstrapazierte Michael- Häupl-Zitat des verdichteten Unsinns herhalten müssen, aber klar ist: Im Wahlkampf ist wenig Platz für Harmonie und viel Raum für unüberlegten Aktionismus. Auch der Landesregierung stehen schwierige Zeiten bevor. Die Diskussion um die Modellregion ist erst der Anfang, Fallen warten genug. ÖVP und Grüne dürfen sich auf dieses Spiel aber nicht zu sehr einlassen, etwa bei der Raumplanung.
Dass die Verhandlungen zum Gemeindegesetz gescheitert sind, ist nicht dem Wahlkampf geschuldet. Die Regierung ist deshalb mit diesem Umstand professionell umgegangen und hat emotionsfrei hingenommen, dass es zwischen den Parteien Meinungsunterschiede gibt, die sich nicht ausräumen lassen. Nur: Wäre das im Wahlkampf auch so friktionsfrei abgelaufen? Wohl kaum.
Der Beweis dafür könnte bald erbracht werden. ÖVP und Grüne haben sich ein neues ehrgeiziges Ziel gesetzt: In diesem Jahr soll das Raumplanungsgesetz novelliert werden. Grund und Boden, Eigentum versus Gemeinwohl, Hortung versus Mobilisierung, Bauen versus Naturschutz; Konfliktzonen zuhauf, die in Wahlkampfzeiten zu gefährlichen Stolperfallen werden können. Die Landesregierung muss dieses Thema außerhalb der Wahlkampfblase verhandeln.
Wie schwierig das ist, zeigt die Modellregion. Lange Zeit galt in Vorarlberg das Dogma: Gesamtschule ab 2025. Nun ist sie für Landeshauptmann Wallner „nicht in Stein gemeißelt“. Mein Kollege Klaus Hämmerle fragt sich heute auf Seite A5: „Warum macht Wallner das?“ und liefert seine Vermutung dazu. Fünf Monate vor der Nationalratswahl hat die Modellregion jedenfalls einen ersten Dämpfer erlitten.
Dass sich Themen nicht von Wien abkoppeln lassen, dass dies auch teilweise gar nicht im Interesse der Wahlkämpfer liegt, steht außer Frage. Schließlich geht’s um den Kanzlersessel. Grünen-Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek äußerte in einem Zeitungsinterview ihre Bedenken zur Schließung der Balkanroute, kurz darauf forderte Landeshauptmann Wallner per Aussendung die Landesgrünen zur Distanzierung auf. Die schwarze Bundespartei blockiert die landesweite Schulmodellregion, und Vorarlbergs Grüne erwarten sich von Wallner öffentlichkeitswirksam, Position gegen den eigenen Chef zu beziehen. Die nächsten Stolperfallen sind schon gelegt: Sebastian Kurz will die Ausschreibung von Bahnprojekten öffnen. Der zuständige Landesrat Rauch hat sich bereits dagegen ausgesprochen, auch Landesstatthalter Rüdisser von der ÖVP hat sich allerdings schon gewehrt. Die Mindestsicherung – Stichwort Hartz-IV-Modell – wird Thema sein, der Umgang mit Klimaschutz in der Verfassung ist es bereits.
In vielen Punkten werden ÖVP und Grüne nur schwer einen gemeinsamen Nenner finden. Das ist legitim und in einem Parteienpluralismus gewünscht. Wichtig ist nur, Sachfragen nicht auf dem Tablett der Parteiräson zu opfern und einem kurzfristigen Prozentziel Priorität einzuräumen. Denn das ist schlecht für die Koalition, bremst Reformen, ist nicht gut fürs Land. Und an so etwas erinnert sich der Wähler.
In vielen Punkten werden ÖVP und Grüne nur schwer einen gemeinsamen Nenner finden.
michael.prock@vn.at, 05572/501-633
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