„Zwischen Freiheit und Digitalisierung gibt es Konflikte“

Politik / 23.06.2017 • 22:31 Uhr
Hofstetter warnt vor den Gefahren der Digitalisierung. Foto: VN/Paulitsch
Hofstetter warnt vor den Gefahren der Digitalisierung. Foto: VN/Paulitsch

Autorin Yvonne Hof­stetter sieht in der Digitalisierung nicht nur Chancen.

Mäder. Daten werden missbraucht, Smartphones beschneiden unsere Freiheitsrechte, und soziale Medien sind reine Werbeplattformen; Yvonne Hofstetter ist Unternehmerin im Big-Data-Business und schreibt über die Digitalisierung. Kürzlich war sie in Vorarlberg zu Gast und sprach mit den VN über ihr Buch „Das Ende der Demokratie: Wie die künstliche Intelligenz die Politik übernimmt und uns entmündigt“.

Was hat Digitalisierung mit Demokratie zu tun?

Hofstetter: Vor zehn Jahren, am 1. Jänner 2007, präsentierte Steve Jobs das iPhone. Nun kommunizieren wir anders, wir arbeiten anders, wir lernen Menschen anders kennen. Aber hat uns jemand gefragt?

Wer sollte fragen?

Hofstetter: Normalerweise wird die Gesellschaft durch Politiker gestaltet, die wir durch Wahlen dazu beauftragt haben. Aber wir haben keine Debatte geführt, ob wir Smartphones und damit Überwachungsgeräte mit uns herumtragen möchten. Trotzdem tun wir das, obwohl wir das nicht auf dem normativen Weg legitimiert haben. Aber wir haben es soziologisch legitimiert, weil wir alle mitmachen. Gesellschaftsgestaltung findet somit durch die Technologiegiganten statt.

Das ist ja nicht neu, dass Politik auf Veränderung reagieren muss, statt zu gestalten.

Hofstetter: Ja. Im Hochimperialismus des 19. Jahrhunderts etwa hatte Kapital großen Anlagedruck, überwand nationale Grenzen und wurde von Wirtschaftsakteuren in Kolonien angelegt. Es war rationales ökonomisches Handeln, sich in diesen geografischen Raum auszubreiten. Erst hinterher hat die Politik begonnen, zum Beispiel Handelswege mit dem Militär zu sichern. Heute haben wir eine ähnliche Situation. Wirtschaftsakteure haben die Grenze zum virtuellen Raum überschritten. Es ist der Raum unserer Daten und Freiheitsrechte. Sie sind das Öl des 21. Jahrhunderts.

Was bedeutet das für unsere Demokratie?

Hofstetter: Zwischen Freiheitsrechten und der Digitalisierung gibt es viele Konflikte. Sie werden zwar einwenden, Smartphones hätten uns freier gemacht, aber das ist die Sichtweise des Konsumenten. Die Freiheit des Konsumenten ist nicht die Freiheit des Bürgers. Smartphones werden dazu benutzt, in die Souveränität des Menschen einzugreifen, etwa bei der Polizeiarbeit.

Also nutzt die Politik sehr wohl die Digitalisierung?

Hofstetter: Ja, aber wir beauftragen die Politik, die Gesellschaft zu gestalten. Also haben wir Bürger dadurch eigentlich einen Informations- und Transparenzanspruch gegenüber der Politik. Aber der wird nun umgekehrt. Die Digitalisierung wird gegen uns eingesetzt und ist auch deswegen ein Eingriff in die Freiheitsrechte.

Und die Chancen, wie Transparenz, Petitionen, E-Voting?

Hofstetter: Mit dieser Utopie sind wir vor 30 Jahren gestartet. Aber wie meistens, wenn Ökonomisierung ins Spiel kommt, wird aus der Utopie eine Dystopie. Wir sehen das bei den sozialen Netzwerken. Sie haben einen negativen Einfluss auf die Demokratie. Das sind ja keine Medien, sondern Werbeplattformen amerikanischer Konzerne. Sind wir verrückt, dass wir glauben, hier unsere Nachrichten zu holen?

Wie können wir das Ruder herumreißen?

Hofstetter: Wir müssen die Politik dazu bewegen, sich damit stärker auseinanderzusetzen. Wir müssen auch die Technologen darauf aufmerksam machen, dass sie die Gesellschaft verändern, und sie entsprechend ausbilden. Sie sollten sich fragen: Kann ich ethische und moralische Maschinen bauen? Kann ich Freiheitsrechte in digitale Angebote einbauen? Ich möchte nicht weniger Technologie, ich finde sie faszinierend. Aber ich möchte bessere Technologie.

Zur Person

Yvonne Hofstetter

ist eine deutsche Juristin. Seit 1999 in Softwareunternehmen tätig, die sich mit Multiagentensystemen für die Rüstungsindustrie und mit automatisiertem Handel beschäftigen. Seit 2009 Geschäftsführerin der Teramark Technologies (Künstliche Intelligenz, Industrie 4.0, Big Data).

Geboren: 1966

Wohnort: Freising

Bücher: „Sie wissen alles“, „Die Macht der Algorithmen“, „Das Ende der Demokratie“

Hofstetter war bei „Mäder trifft“ zu Gast. Weitere Infos zur Reihe: www.buecherei-maeder.at/veranstaltungen