Engagiert euch!
Das Recht geht vom Volk aus. Also lasst uns abstimmen, liebe Politiker! GIS-Gebühr? Wir wollen ein Kreuzchen machen. Sozialversicherungsträger zusammenlegen? Wir wollen „Ja“ oder „Nein“ sagen. EU-Beitritt der Türkei? Überlasst uns die Entscheidung.
Volksabstimmungen sind schön. Die Arbeit machen andere, wir müssen nur ein Kästchen ankreuzen. Volksabstimmungen sind aber zu simpel. Schon ein Liebesbrief unter Volksschülern bietet differenziertere Antwortmöglichkeiten. Plebiszite sind deshalb nicht des Demokratierätsels Lösung, politische Fragen erfordern differenzierte Antworten. Soll der Stadttunnel gebaut werden? Sowohl ein „Ja“ als auch ein „Nein“ sind gut argumentierbar, ein „Nein“ löst den Verkehrskollaps aber nicht. Rundfunkgebühren? „Ja, aber“ fehlt als Antwortmöglichkeit.
Die Schweizer stimmen doch auch ab? Und wir dürfen gar nicht? Das stimmt. Aber auch uns ist Mitbestimmung erlaubt. Die Möglichkeiten sind nachhaltiger als reine Abstimmungen – bedeuten aber vor allem eines: Arbeit. Doch sie lohnt sich.
Demokratie ist keine Sonntagsfrage. Freie Wahlen sind zwar ein absolutes Privileg und Grund zur Freude, doch auch in den Jahren dazwischen lässt sich viel bewegen. Wenn ein Bürgermeister es zulässt, kann etwa eine Gemeindevertretung den Ort maßgeblich prägen. Um sich reinwählen zu lassen, muss man sich zwar meistens zu einer Partei bekennen, mit allen negativen Folgen. Die Angst ist begründet, die Möglichkeiten in den Gemeindegremien wiegen diese aber locker auf.
Auch außerhalb des Systems ist Beteiligung möglich. Sei es als Initiative zur Verschönerung der eigenen Wohnstraße, als Verein zur Betreuung der Burgruine, als Bewegung für den Schutz der Kanisfluh, für ein autofreies Bodenseeufer – jeder hat die Möglichkeit, sich zu engagieren. Man muss es nur tun.
Das Volk hat nicht immer recht. Aber es hat immer die Chance, sein Recht zu erkämpfen. Wie die Massen mobilisiert werden können, zeigt das Volksbegehren für das Rauchverbot in der Gastronomie. Es zeigt übrigens auch, wie ernst es gewählte Politiker im Ernstfall mit direkter Demokratie und dem freien Mandat wirklich nehmen.
Beteiligung ist mühsam. Vergangene Petitionen und Bürgerräte im Land verdeutlichen, dass die Möglichkeit, Bürger mitreden zu lassen, oft nach außen gefeiert, nach innen aber vernachlässigt wird. Aber lassen Sie sich nicht unterkriegen. Das beste Demokratierezept lautet, Dinge selbst in die Hand nehmen, diskutieren, Fragen stellen, Antworten entwickeln. In der Gemeindevertretung, als Teil einer Bürgerinitiative, als Unterschriftensammler. Und nicht darauf warten, bis man zu einem „Ja“ oder „Nein“ gezwungen wird. Die Antwort liegt meistens irgendwo dazwischen.
„Schon ein Liebesbrief unter Volksschülern bietet differenziertere Antwortmöglichkeiten.“
Michael Prock
michael.prock@vn.at
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