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Politik / 22.03.2018 • 22:16 Uhr
Kommende Woche sind sie 100 Tage Kanzler bzw. Vizekanzler: Sebastian Kurz (l.) und Heinz-Christian Strache.Matthias Rauch
Kommende Woche sind sie 100 Tage Kanzler bzw. Vizekanzler: Sebastian Kurz (l.) und Heinz-Christian Strache.Matthias Rauch

Die Mindestsicherung steht als nächstes auf der Agenda der schwarz-blauen Bundesregierung.

Wie stark trifft der Sparstift im Doppelbudget 2018/19 nichtösterreichische Staatsbürger?

Kurz Wir sparen in unterschiedlichen Bereichen: in der Verwaltung, im öffentlichen Dienst, bei Förderungen, aber auch im Bereich des Asylwesens. Ebenso sparen wir bei Programmen für ausländische Staatsbürger im AMS, die wir so als nicht zielführend erachten.

 

Was ist nicht zielführend?

Strache Laut einem Bericht von AMS-Mitarbeitern funktionieren gewisse AMS-Schulungen nicht, weil manche die Angebote nicht annehmen. Wenn jemand etwa kaum Sprachkenntnisse hat, können AMS-Kurse nicht zielführend sein. Da gibt es vieles zu evaluieren.

 

In dem Bericht werden bestimmte Gruppen – etwa Tschetschenen – genannt, mit denen es im AMS Probleme gibt. Wie werden aus schwer Integrierbaren brave Österreicher?

Kurz Wir müssen sicherstellen, dass die Gruppe derer, die schwer zu integrieren sind, nicht größer wird. Erster und wichtigster Punkt ist es daher, alles dafür zu tun, die illegale Migration zu stoppen.

 

Die beim AMS erwähnten Tschetschenen sind aber da.

Kurz Das ist der zweite Punkt. Was tun mit jenen, die da sind? Einerseits müssen wir sie bei der Integration unterstützen. Darum sparen wir auch nicht bei Integrationsmaßnahmen. Zum Zweiten müssen wir klare Grenzen aufzeigen, wenn sich jemand nicht an die Regeln hält. Drittens werden wir die Mindestsicherung für Asylberechtigte in Österreich reduzieren, damit es sich für diese Menschen auch auszahlt, zu arbeiten.

Strache Ergänzend: Asyl bedeutet Schutz auf Zeit. Es braucht regelmäßige Untersuchungen, ob es noch einen Verfolgungsgrund gibt.

 

Beim Integrationsjahr wird sichtlich gekürzt. Haben Sie das evaluiert?

Kurz Dass wir Maßnahmen streichen, von denen wir nie überzeugt waren, wird keine Überraschung für Sie sein. Wir wollen keine staatlich geförderten Scheinjobs, sondern reale Jobs in der Wirtschaft.

 

Das heißt, Sie sind anderer Meinung als die AMS-Spitze? Sowohl im AMS Österreich als auch in Vorarlberg hieß es, dass das Integrationsjahr nicht nur sozial, sondern auch ökonomisch sinnvoll wäre.

Kurz Wo es Sinn macht, gibt es auch Mittel. Aber wir reduzieren sie. Dass die AMS-Spitze dafür wirbt, dass das AMS-Budget hoch sein soll, das überrascht mich nicht. Wir haben fast ausschließlich mit Personen zu tun, die uns erklären, warum gerade in ihrem Bereich nicht gespart werden sollte. Die Notwendigkeit ist aber, nach über 60 Jahren der Schuldenpolitik damit aufzuhören, mehr auszugeben, als man einnimmt. Wir setzen Sparmaßnahmen, reduzieren gleichzeitig aber die Steuerlast und investieren mehr, wo wir glauben, dass es sinnvoll ist: in die Sicherheit, im Bildungsbereich, in die Pflege.

 

Ist die Integration nicht zentral? Dort zu sparen, lässt den Schluss zu, dass es am Ende teurer wird.

Kurz Die Integration ist ein Bereich, wo in Summe nicht gespart wird. Wir investieren das Geld nur teilweise anders.

Strache Wir müssen ungerechte Systeme wie die Mindestsicherung abstellen. Derzeit erhalten Menschen, die keine Stunde gearbeitet und nichts ins System eingezahlt haben, 840 Euro und andere, die über 40 Jahre gearbeitet haben, fast gleich viel. Das wollen wir ändern, indem wir für jene Personen die Mindestpension auf 1200 Euro anheben und klar differenzieren.

 

Braucht es diese Herausarbeitung von Sündenböcken wirklich, um ausgeglichen zu budgetieren?

Kurz Es geht nicht um Sündenböcke, sondern um die Frage, wo es in der Vergangenheit Fehlentwicklungen gab. Die Mindestsicherung ist so hoch, dass wir ein Magnet für Zuwanderer sind, die aus einem ganz anderen Kulturkreis mit einem wesentlich niedrigeren Lebensstandard kommen. Für schlecht ausgebildete Zuwanderer hat es fast keinen Sinn, arbeiten zu gehen, weil sie wissen, dass sie in der Mindestsicherung besser aussteigen. Das ist ein System, das dem Klima in einem Land nicht gut tut.

 

Sie meinen mit Zuwanderern Asylberechtigte?

Kurz Ja, genau.

Strache Wir beenden die falsche Zuwanderungspolitik. 

 

Ist das Vorarlberger Mindestsicherungsmodell für Sie vorstellbar?

Kurz Das Vorarlberger Modell ist gut, weil es stärker in Richtung Sachleistungen geht und es eine Integrationsvereinbarung gibt. Es gibt aber auch Möglichkeiten, wie in Oberösterreich, wo die Zahlungen niedriger sind.

Strache Wir wollen die Zahlungen deutlich reduzieren. Menschen, die gearbeitet und ins System eingezahlt haben, sollen auch wesentlich mehr bekommen.

 

Wie funktioniert das verfassungskonform, nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs? Demnach darf man etwa Asylberechtigte nicht anders behandeln.

Strache Wir brauchen eine verfassungskonforme Regelung, die für alle gelten muss. Jeder, der eingezahlt hat, erwirbt Ansprüche, und wer nicht eingezahlt hat nicht.

 

Da wäre das Arbeitslosengeld …

Kurz Wir werden uns bemühen, eine Lösung mit allen Bundesländern zu finden. Wenn nicht alle zustimmen, werden wir im Parlament eine Regelung beschließen.

 

Laut Verfassungsgerichtshof ist eine Wartefrist nicht möglich, auch keine Deckelung. Wie wird Ihre Regelung wirklich aussehen?

Kurz Es wird in die Richtung gehen, dass es darauf ankommt, ob man einbezahlt und in Österreich eine Leistung erbracht hat. Darüber hinaus, werden wir versuchen, mit Sachleistungen zu arbeiten, weil wir wissen, dass sie oft mehr Sinn machen als Geldleistungen.

 

Also von der Systematik her das, was Pensionisten an Beitragsjahren kennen.

Kurz Das ist ein weit hergeholter Vergleich, aber ja natürlich.

VN-Chefredakteur Riedmann mit Kurz und Strache im Bundeskanzleramt.
VN-Chefredakteur Riedmann mit Kurz und Strache im Bundeskanzleramt.

Video

Das Interview

http://qr.vol.at/2kf