Gerold Riedmann

Kommentar

Gerold Riedmann

Wieso so welk, Grüne?

Politik / 27.04.2019 • 08:29 Uhr

Nach außen soll es stets so aussehen, als ob alles gedeihe und wachse, wunderschön blühe. Das gilt vor allem auch für die Vorarlberger Grünen, die erfolgreiche Regierungspartei. Unter der Oberfläche faulte es zuletzt allerdings gewaltig. Dass der gesundheitsbedingte Sofort-Rückzug des nun ehemaligen grünen Klubobmanns Adi Gross (57) viel mit zermürbenden parteiinternen Querelen zu tun hat, sollte unter Verschluss bleiben. Die Wahrheit weiß bislang nur, wer im grünen WhatsApp-Verteiler ist. Eine „Lebensentscheidung“ sei es, nicht mehr anzutreten, schrieb Gross da. „Dem ist eine für mich untragbare Vorstandsentscheidung vorausgegangen, die mir, dem Klubobmann, de facto die für mich nötige Unterstützung entzogen hat.“ 16 Tage sei der Vorstandsentschluss her, schrieb er einen Tag, bevor er der Presse den Rücktritt erklärte.

Grünes Vollgas

„Mir ist dabei auch schmerzlich bewusst geworden, dass ich physisch und psychisch an einer Kippe stehe. Die vielen Jahre Vollgas haben Spuren hinterlassen.“ Die Grünen wollten freilich, dass von Konflikten keine Rede ist und „die Presseerklärung anders aussieht“, wie Gross schrieb. Logo. Deshalb ließen Adi Gross und sein Chef Johannes Rauch (60) auf der Pressekonferenz auch keine Fragen von Journalisten zu.

Erfolge wären zuhauf da

Die Nervosität zum aktuellen Zeitpunkt ist absolut unbegründet. Die Grünen haben in der Regierungsarbeit Erfolge vorzuweisen, der öffentliche Verkehr wird seinen nächsten großen Schub im Juni, wenige Monate vor der Wahl, erhalten. Man muss sich das vorstellen: Ab sofort sind sichtbare Zeichen grüner Politik im 15-Minuten-Takt quer durch Vorarlberg unterwegs, als fahrende Werbebanner auf Schienen, quasi ein Idealfall für jeden Wahlkämpfer.

Bei der ÖVP ging man von zwei Legislaturperioden schwarz-grüner-Zusammenarbeit aus, und danach sieht es immer noch aus, denn gesteigertes Interesse, mit der Bitschi-FPÖ zusammenzuarbeiten, kann man Landeshauptmann Markus Wallner nicht nachsagen.

Noch mehr verwundert die grüne Sinnkrise in einer Zeit, in der es so warm ist, dass man bei Spaziergängen am Bodensee nur noch Muscheln findet, in der hierzulande sogar Safran gut wächst. Das Klimathema ist allgegenwärtig.

Greta statt Grüne

Doch die Klimaschutzkompetenz hat plötzlich die 16-jährige Greta Thunberg mit ihren Freitagsprotesten für sich gepachtet. Auch beim Umweltschutz wachsen andere Begehrlichkeiten: Der Vorarlberger SPÖ-Kandidat Martin Staudinger reklamiert per Presseaussendung (samt passendem Ich-stehe-in-der-Natur-Bild) das Vorarlberger Glyphosat-Verbot als politischen Erfolg für die Sozialdemokratie.

Währenddessen sind die Grünen mit sich selbst beschäftigt.

Grünen-Chef Johannes Rauch hätte folglich auch gern, dass die Querelen nun mit der turbulenten Abstimmungswoche über die Listenplätze zu Ende gehen mögen. Hohenems lief für den Vorstand erwartungsgemäß: Johannes Rauch mit hohem Wahlergebnis klar bestätigt, Daniel Zadra (34) auf der Landesliste gesichert.

Ob der Konflikt zwischen Basis und Regierungs-Grünen getilgt ist, muss vor allem die Basis an den verästelten Wurzeln entscheiden. Die Kernfrage können nur die Grünen gesamtheitlich, und eben nicht nur Chef Rauch, beantworten: Wollen sie regieren – oder fühlen sie sich in der Opposition doch wohler?

Gerold Riedmann ist Chefredakteur der Vorarlberger Nachrichten.