Gerold Riedmann

Kommentar

Gerold Riedmann

bru/tal/edu/mmh/eit

Politik / 19.05.2019 • 21:36 Uhr

Nachdem die FPÖ am Wochenende dank der Dummdreistigkeit ihres Anführers schlichtweg implodiert ist, sieht es nicht so aus, als ließe sich „Strache ungefiltert” mit dem Argument einer „b’soffenen G’schicht” wegwischen. Denn der Kontakt mit dem Umfeld der vermeintlichen Oligarchen-Nichte ging weiter, wie die Süddeutsche Zeitung etwas mehr als 24 Stunden nach Straches Ausreden („einmaliger Kontakt, der nicht weiterging”) zerbröckeln lässt.

Geheim-Codes

Gefordert wurde vom vermeintlichen Oligarchen-Clan: Ein Liebesbeweis, ein Zeichen, dass die FPÖ es ernst meinte, dem Straßenbauer Hans-Peter Haselsteiner Aufträge wegzunehmen. Im Archiv des Presseaussendungs-Dienstes APA-OTS findet sich auch tatsächlich noch die Aussendung, versandt am Montag, 4. September 2017. Mehrere vereinbarte Schlüsselwörter stehen in dem Text, in dem hauptsächlich gegen den damaligen Strabag-Chef und Neos-Förderer Haselsteiner gewettert wird. Dort, wo normalerweise ganz am Schluss die Kürzel der Urheber stehen, findet sich die Buchstabenkombination wer/zah/lts/chaf/ft/an. Anders getrennt: Wer zahlt, schafft an.

Die Freiheitlichen müssen sich absolut sicher gewesen sein, über den Dingen zu stehen, sich alles leisten zu können. Aber so geht’s halt im Leben: Zack, zack, zack.

Gefährlicher Innenminister

Die Übergangszeit, in der frustriertes und verletztes FPÖ-Personal an der Spitze von, sagen wir, dem Innen-, Außen oder dem Verteidigungsministerium steht, könnten äußerst heikel werden. Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit insbesondere unserer Geheimdienste wurden im Ausland schon vor dem auch nach zwei Tagen völlig unfassbaren Ibiza-Video offen formuliert.

Die Republik Österreich wäre gut beraten, jenen Minister, unter dessen Ägide

•             das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorbekämpfung von Polizeieinheiten durchsucht wurde,

•             der Identitäre Martin Sellner offenbar 40 Minuten vor seiner Hausdurchsuchung gewarnt und auf den dann noch zusätzlich 12 Minuten gewartet wurde, bis er die Tür öffnete,

•             der Mord vom Sozialamtsleiter der BH Dornbirn in ein politisches Abschieben von Verantwortung umgemünzt wurde,

•             keine Provokation ausgelassen wurde, wie beim sinnbefreiten Austausch der Schilder von Asylzentren, die jetzt „Ausreisezentren” heißen,

keine Minute länger an den Schalthebeln des auch für die Durchführung einer demokratischen Wahl so wichtigen Innenministerium sitzen zu lassen.

Das Vertrauensverhältnis zur FPÖ, die von der freien Presse bis zum Wasser die halbe Republik in Richtung Russland verschachtert hätte, ist zerstört. Dass diese Partei nicht regierungsfähig ist, hat sie für die kommenden Jahrzehnte bewiesen.

Mit der Ausrufung von Neuwahlen, nur etwas mehr als 24 Stunden nach dem sich der ehemalige Vizekanzler Heinz-Christian Strache endgültig um sein (zu enges) Leiberl redete, tat Bundeskanzler Sebastian Kurz das einzig richtige. Denn jeder künftige „Einzelfall” hätte fraglos auch Kurz selbst beschädigt.

Wallner geschickt

Hervorzuheben ist auch der Schachzug, der dem Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner in der Neuwahl-Ausrufungs-Nacht gelang: er schloss eine Koalition auf Landesebene im Herbst mit der Vorarlberger FPÖ von Christof Bitschi nun erstmals kategorisch aus. Bitschi habe unzureichend zum “moralischen Abschaum” seiner Bundesparteifreunde reagiert. Bitschi kuschelte sich in den vergangenen Monaten ja sichtbar zurück zu einer möglichen ÖVP-Koalition. Nun setzt Wallner ihn vor die Tür, noch bevor er ihn ins Wohnzimmer hereingelassen hat. Eine wichtige Feststellung, die für Bitschi im denkbar ungünstigsten Moment kommt, denn ihm sind während der vergangenen Woche die Schäfchen weggerannt.

Die Landtagswahl wird nun für alle spannend. Wallner hat sich von der FPÖ distanziert, ohne den Grünen um Johannes Rauch den Gefallen zu tun, sich für sie zu entscheiden. Denn Wallner weiß: wenn er mit Kurz’schem Rückenwind Stärke am Wahltag zeigen kann, reicht auch ein Koalitiönchen mit Sabine Scheffknecht (NEOS) – ja sogar mit Martin Staudingers SPÖ könnte Wallner das Auslangen finden.