Johannes Huber

Kommentar

Johannes Huber

Wer der FPÖ hilft

Politik / 09.08.2019 • 21:53 Uhr / 4 Minuten Lesezeit

Die FPÖ kann sich braune Flecken in ihren Reihen genauso leisten wie die Ibiza-Affäre: Entscheidende Mitbewerber schauen über fast alles hinweg. Ja, man kann sogar sagen, SPÖ und ÖVP würden sie immer wieder aufrichten. Indirekt, indem allein schon die Stichwörter „Große Koalition“ und „Rot-Schwarz“ für ziemlich viele Wähler eine Einladung sind, aus Protest dagegen die Freiheitlichen zu unterstützen. Aber auch direkt.

Das ist eine lange Geschichte, die wohl auch die freiheitliche Historikerkommission genüsslich ausbreiten wird: Zunächst hatten in der 2. Republik bemerkenswerterweise Sozialdemokraten großes Interesse an der Existenz der FPÖ. Ihre Hoffnung: Das würde die ÖVP Stimmen kosten. Klar, dass die Genossen unter diesen Umständen über alles mögliche hinwegschauten. 1970 ließ Bruno Kreisky (SPÖ) seine Minderheitsregierung wiederum durch die Freiheitlichen stützen. Jahre später verteidigte Kreisky deren Bundesparteiobmann Friedrich Peter sogar gegen einen Bericht von Nazijäger Simon Wiesenthal, als Obersturmführer einer Einheit der Waffen-SS angehört zu haben, die besonders grausam gewesen war.

Seit 2000 hilft eher die ÖVP der FPÖ. Der Preis, den die Volkspartei dafür bezahlt, war unter Wolfgang Schüssel bei Schwarz-Blau I und II hoch, und er ist es auch jetzt unter Sebastian Kurz wieder gewesen. Tägliche Einzelfälle in den blauen Reihen sowie eine menschenverachtende Fremdenpolitik sind zumindest Christdemokraten übel aufgestoßen.

Es geht jedoch weiter. Nicht einmal die Ibiza-Affäre ist in Wirklichkeit „genug“, wie Kurz behauptet hat. Sie dient ihm eher nur dazu, wählen zu lassen und so zur verlockenden Option zu gelangen, mit einer geschwächten FPÖ weiterregieren zu können. Einzige Bedingung laut Kurz: Heinz-Christian Strache und Herbert Kickl dürfen nicht mehr dabei sein. Dazu werden die Freiheitlichen gerne bereit sein, wenn’s darauf ankommt. Sie haben ohnehin noch Norbert Hofer, der durch die Bundespräsidenten-Wahlen 2016 zum erfolgreichsten Politiker aus ihren Reihen geworden ist. So viele Stimmen wie er damals hat noch kein anderer zusammengebracht, weder Strache noch dessen Vorgänger Jörg Haider.

Bündnispartner

Würde es Sebastian Kurz bei „Ibiza“ nicht nur um Taktik gehen, würde er die FPÖ umfassend zur Verantwortung ziehen: Volle Offenlegung der Parteikassen beispielsweise, damit die Spendenpraktiken, die Strache in dem Video angesprochen hat, schneller aufgeklärt werden können.

Doch das wäre aus seiner Sicht übertrieben: Er braucht die Freiheitlichen letzten Endes. Wie im Übrigen auch die SPÖ: Allein zum Schaden der ÖVP hat sie vor der Sommerpause mit Hilfe von Hofer und Co. ein zahnloses Parteispendenverbot durchgesetzt. Wenn schon nicht zum Koalitions-, hat sie die FPÖ damit wieder einmal zum Zweckbündnispartner erklärt.

„SPÖ oder ÖVP schauen letztlich über alles hinweg, ob braune Flecken oder die Ibiza-Affäre.“

Johannes Huber

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