Blacklist
Der Tod George Floyds löste eine weltweite Protestwelle aus. Der Bewegung Black Lives Matter ist aber nicht nur der aktuelle Rassismus wichtig. Sie wünschen auch eine Neubewertung historischer Ereignisse. So stürzte die Büste von Südstaaten-General Lee vom Sockel. In London musste das Denkmal von Kriegspremier Churchill geschützt werden. In Frankreich soll der Begründer des Merkantilismus Colbert aus den Straßennamen verschwinden. Neuseeland denkt gar daran, die Stadt Hamilton umzubenennen wegen des Kampfs des Marinekommandanten gegen die Maori. Belgien hat ein noch größeres Problem mit seiner kolonialen Vergangenheit und dem königlichen Massenmörder Leopold II.
Amerika-Entdecker Kolumbus, Pfadfinder-Gründer Baden-Powell oder der Philosoph Kant lösen Zweifel aus, ob ihre Leistungen nicht durch rassistische Bezüge oder die ausgelösten Folgen relativiert werden müssen. Und es geht noch weiter: „Vom Winde verweht“ wurde aus dem Programm genommen, Kinderbücher von Astrid Lindgren sind umgeschrieben (Pippis Vater ist nun kein „Negerkönig“ mehr) und Mohrenköpfe werden trotz Umbenennung in Schokoküsse nicht mehr produziert. Selbst die sonst ideologisch unverdächtige Programmiersprache soll nun auf die Begriffe Master und Slaves verzichten und aus einer Blacklist eine Blocklist werden. Denn Kritiker sehen in all dem Bezüge zur Sklaverei.
Mit der eigenen Vergangenheit zu leben ist nicht einfach. Weder persönlich, noch als Gesellschaft, noch als Nation. Österreich kennt das Dilemma allzu gut. Immerhin mussten 40 Jahre vergehen, bis Inschriften auf Kriegsdenkmälern hinterfragt wurden. Hitler-Plätze verschwanden zwar schnell aus den Straßennamen, andere Umbenennungen lassen bis heute auf sich warten. Ebenso wie manche Gedenktafel an Opfer des NS-Regimes wie Juden, Homosexuelle oder Wehrdienstverweigerer.
Ist es richtig, alle Erinnerungen an Fehler unserer Vorfahren aus dem öffentlichen Raum zu tilgen?
Aber ist es richtig, alle Erinnerungen an Fehler unserer Vorfahren aus dem öffentlichen Raum zu tilgen? Können wir einfach alles Unangenehme auf eine Blacklist schreiben? Dürfen wir das Geburtshaus Hitlers architektonisch ebenso „neutralisieren“ wie unsere Sprache? Was einfach klingt, führt selten zum gewünschten Erfolg. Selbst wenn alle Sklavenhändler entfernt sind, bleibt die darauf beruhende Ungerechtigkeit noch bestehen. Diese „Helden“ brauchen selbstverständlich keine Podeste, aber einen fixen Platz in unserer kollektiven Erinnerung. Das Stürmen der Denkmäler darf nicht zum Vergessen in den Schulbüchern oder Vorlesungssälen führen. Denn was dort über Vergangenes und die Ursachen von Rassismus oder Diskriminierung erzählt wird, verändert die Gesellschaft und damit auch unsere Zukunft. Zu welchem Denkmal dann auch immer der Schulausflug führt.
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