Kommentar: Trump und Europa
In der US-Hauptstadt Washington prägen derzeit die von Donald Trump entsandten 2.200 schwer bewaffneten Nationalgardisten das Straßenbild. Los Angeles, Chicago und Baltimore stehen als Nächstes auf seiner Liste.
Trump handelt insofern konsequent, als er schon im Wahlkampf Maßnahmen gegen die „innere Bedrohung“ des Staates angekündigt hat. Worin diese besteht, kann er allerdings nicht glaubwürdig erklären. Wir wissen aber aus der Geschichte: In den Dreißigerjahren sind autoritäre Politiker ähnlich vorgegangen. Kritische Medien und die Parlamente wurden geschwächt und dann ausgeschaltet, die unabhängige Justiz ausgehebelt, Polizei und Militär gegen die Opposition in Stellung gebracht.
Noch ist Trump zwar nicht in die Liste der Diktatoren einzuordnen, aber er macht rasante Schritte in diese Richtung. Die Gewaltenteilung wird unterminiert, es gibt offene Attacken gegen die Justiz, die Freiheit der Wissenschaft und die Unabhängigkeit der Universitäten sind bedroht, es gibt verfassungswidrige Eingriffe in die Zuständigkeitsbereiche von Städten und Bundesstaaten, ein unterwürfiger Kongress und der überwiegend von Trump-Getreuen besetzte Oberste Gerichtshof leisten kaum Widerstand usw. All das sind Zeichen für den autoritären Vormarsch und erschrecken nicht nur die dezidierte Gegnerschaft Trumps.
Trump hat ja schon im Wahlkampf ausländische Diktatoren gelobt und seine Verachtung für demokratische Ideale deutlich gemacht. Schon vor der Präsidentschaftswahl 2024 haben Fachleute gewarnt: Der damalige Ex-Präsident verwende zunehmend eine Sprache, die an autoritäre Führer aus den 1930er-Jahre erinnere. Trump hatte seine politischen Gegner sogar als „Ungeziefer“ bezeichnet, das er „ausrotten“ wolle. Man erschrickt also zurecht und muss nicht viel Fantasie haben, um zu sehen, wohin die Reise geht, wenn die politische und zivilgesellschaftliche Opposition diesem Treiben nicht ein Ende bereiten.
Noch ist auch viel Show dabei. Die Nationalgarde in Washington ist gar nicht an jenen Plätzen eingesetzt, wo die meisten Verbrechen geschehen. Zu sehen ist sie in der ruhigen Innenstadt vor dem Weißen Haus, dem Kongress oder dem Washington Memorial – also den Zentren und Symbolen der amerikanischen Demokratie. Es ist eine vor allem für die Medien inszenierte Machtdemonstration.
Und Europa? Der peinliche Kniefall der Kommissionspräsidentin und wichtiger Regierungschefs vor Trump Ende August hat schlussendlich wenig gebracht: Der US-Präsident hat wenige Tage später die Liste der Produkte mit 50-prozentigen Zöllen erheblich ausgeweitet.
Die US-Demokratie ist eine Angelegenheit der Amerikaner. Für Europa muss gelten: Ohne mehr Selbstbewusstsein und Standhaftigkeit gegenüber Trump wird nicht nur unsere Wirtschaft noch mehr Schwierigkeiten bekommen, sondern als Folge davon auch unsere Demokratie.
Harald Walser ist Historiker, ehemaliger Abgeordneter zum Nationalrat (Die Grünen) und AHS-Direktor.
Kommentar