Sexismus: Das bisschen blödes Gerede
„Gewalt gegen Frauen beginnt sehr oft bei Worten.“ Verfassungsministerin Karoline Edtstadler, gerne die Geheimwaffe des Kanzlers in heiklen Fragen, hat damit kürzlich in der ZiB2 eine Tatsache ausgesprochen, die unter Gewaltschutzexpertinnen und -experten unumstritten ist, von der breiteren Öffentlichkeit aber lieber ausgeblendet wird – weil unangenehm.
Umso bemerkenswerter ist also, dass Edtstadler im Kontext des heiß diskutierten frauenfeindlichen Sagers ihres Tiroler Parteikollegen und Vize-Landeshauptmanns Josef Geisler zu der WWF-Mitarbeiterin Marianne Götsch („widerwärtiges Luder“) auf die Ermordung zweier Frauen Anfang Juni in Kärnten verweist: „Keiner wird von heute auf morgen zum Mörder, sondern da geht es ganz früh los, was in der Gesellschaft los ist und wie man Frauen gegenübertritt.” Die Ministerin will sich des Themas gesamtgesellschaftlich „intensiv annehmen“, ihre klare Position endet allerdings wenig überraschend genau dort, wo es um einen Rücktritt Geislers geht. Ein ernstes Wort mit dem Kollegen reden? Ja. Seinen Rücktritt verlangen? Nein.
Und im Extremfall führt die Frauenverachtung zu jenen grauenhaften Gewalttaten, über die Medien dann regelmäßig berichten.
Auch die Tiroler Grünen-Chefin Ingrid Felipe eiert zum Unmut mancher Grüner um die Frage herum, die nächsten Tage sind entscheidend für sie und die schwarz-grüne Koalition in Innsbruck. Das Bewusstsein für Sexismus ist im politmedialen Betrieb grundsätzlich unterentwickelt, warum sollte es auch anders sein als in der realen Welt: Das bisschen blödes Gerede ist ja nicht so schlimm, manchmal gar nicht so gemeint, die Frauen sollen sich nicht so anstellen! Doch mit der Herabwürdigung und Verächtlichmachung von Frauen im privaten oder beruflichen Bereich beginnt das gesellschaftliche Problem. Sexistische Aussagen bis hin zu Grapsch-Affären von Politikern aller Couleur sind für die Herren – mit seltenen Ausnahmen – weitaus weniger karriereschädlich, als mit einer besoffenen Autofahrt in der Zeitung zu landen.
Frauen ernst nehmen
Und im Extremfall führt die Frauenverachtung zu jenen grauenhaften Gewalttaten, über die Medien dann regelmäßig berichten. Im März haben etwa die Frauenhäuser gemeinsam mit der Türkischen Kulturgemeinde in einem offenen Brief an die Regierung gefordert, Frauen endlich ernst zu nehmen, wenn sie Anzeigen erstatten – faktisch wöchentlich werde eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner lebensgefährlich verletzt oder ermordet. Alexander Haydn, erfahrener Psychotherapeut bei der Wiener Männerberatung, sagt übrigens, dass man häusliche Gewalt nicht daran festmachen könne, ob es In- oder Ausländer seien, Gewalt habe oft mit patriarchalen Strukturen zu tun. Sexismus und Gewalt haben keine Nationalität, sie gehen alle an.
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