Impf-Egoismus?
Wenn sich die einflussreichen Politiker der Welt zu Konferenzen treffen, reden sie über die ganz wichtigen Probleme der globalen Welt. Und in den meisten Fällen ändert sich wenig bis nichts. Das virtuelle Home-Office-Konferieren der Staats- und Regierungschefs der wirtschaftlich wichtigsten Länder der westlichen Welt am vergangenen Wochenende ist eine der rühmlichen Ausnahmen.
Da parlierten die Konferenzler nach der Agonie der Trump-Zeit über drängende Gegenwartsprobleme wie sicherheitspolitische Fragen einer wiederentdeckten internationalen Zusammenarbeit, die Nato, den gemeinsamen Kampf für Menschenrechte, den Abbau internationaler Spannungen, den Schutz der Umwelt und Anstrengungen zur Stärkung demokratischer Prinzipien. Aber auch diese Ziele mit handfesten positiven Folgen werden nach der 180-Grad-Wendung der US-Politik mit einem neuen Regenten dort ihre Reifezeit brauchen.
Aber zugleich brachte das Konferieren am Wochenende einen Soforterfolg auf dem Weg zur Lösung eines akuten und wahrhaft lebensbedrohenden Weltproblems: Nachdem das mutierende Corona-Virus in den Ländern der Welt schon mehr als 2,5 Millionen Menschen tötete, initiierte der neue US-Präsident Joseph Biden ein Milliarden-Programm: Mit der Freigabe der von Vorgänger-Präsident Trump gestrichenen Beitragszahlungen für die UN-Weltgesundheitsorganisation, der Bereitstellung von vier Milliarden Dollar US-Steuergelder für die Gesundheitsversorgung in 92 armen Staaten der Welt und der Aufforderung an die reichen Industriestaaten, ebenfalls Milliarden locker zu machen. Das Geld soll der UNO-Organisation Covax ermöglichen, bedürftige Staaten mit Impfdosen zur Bekämpfung der Covid-Pandemie zu versorgen. Als ersten Schritt erklärten sich die europäischen Länder bereit, „ungenutzte“ Impfdosen an „arme“ Länder weiterzureichen.
Das alles finden vermutlich viele Menschen in den Industriestaaten nicht besonders dringlich. Etwa die quer- und gar nicht denkenden Pandemie-Leugner und die Impf-Egoisten: Jene Vertreter mit dem Motto „Mit unserem Geld sind erst mal wir dran“. Dabei außer Acht lassend, dass die Pandemie mit neuen Virus-Mutationen ein weltweites Problem ist. Und solange die Pandemie nicht in der „Dritten Welt“ entschieden bekämpft wird, kann sie auch „bei uns“ weiter wüten.
Deshalb sind die Politiker-Bemühungen ein weltbewegendes Ereignis. Wer nach schon 2,5 Millionen Toten dagegen polemisiert und die Bekämpfung der Pandemie behindert, und sei es nur mit Maskenverzicht, wird mitschuldig am vermeidbaren Tod von Menschen. Von „reichen“ und von „armen“.
„Als ersten Schritt erklärten sich die europäischen Länder bereit, ,ungenutzte‘ Impfdosen an ,arme‘ Länder weiterzureichen.“
Peter W. Schroeder
berichtet aus Washington, redaktion@vn.at