Normalität der Pusteblume
Was macht ein Kommentare schreibender Journalist? Er schreibt. Am feurigsten über negative und Völkerscharen aufregende Sachen des Lebens: beispielsweise über Pandemie-Dummheiten, einen durchgeknallten jetzt Ex-Präsidenten und menschliche wie unmenschliche Politiker- und Prominenten-Fehltritte. Hauptsache ungewöhnlich. Denn wen interessiert schon die Meldung „Hund beißt Briefträger“? „Briefträger beißt Hund“ ist besser.
In den vergangenen vier Jahren hat sich der Schreiber dieser Zeilen mit Untaten „made in USA“ beschäftigen müssen: etwa mit Lügen und Hirnrissigkeiten aus dem Weißen Haus, mit der amtlichen Käfighaltung von Flüchtlingskindern, mit sanktioniertem Foltern von „Terrorismus-Verdächtigten, mit Rassismus, Polizei-Brutalität und Angriffen auf demokratische Grundrechte. Angeprangert hat er, also ich, eine menschenverachtende Schusswaffen- und Mordmentalität in der US-Gesellschaft, zum Himmel schreiende soziale Ungerechtigkeiten, eine machthungrige und wider besseres Wissen betriebene Viren-Verharmlosung und was sonst noch alles. Der Schreiber, der das alles unter dem Rubrum „Vor Nachahmung wird gewarnt“ flehentlich zu Papier brachte, bittet alle Leser, denen er mit seinen Kommentaren den Frühstücksappetit verdarb, um Vergebung und er gelobt Besserung. Die Einhaltung des Versprechens wird ihm einigermaßen leicht fallen. Denn seit dem Abgang des bisherigen US-Präsidenten und der jetzt hunderttägigen Regentschaft seines Nachfolgers sind deutlich weniger Idiotien zu vermelden. Dafür summa summarum das Gegenteil der bisherigen moralbefreiten Politik.
Beispielsweise Beschreibungen einer zögerlichen amerikanischen An- und Übernahme in Europa lange praktizierter sozialer und mitmenschlicher Werte und Einschätzungen. Einer Politik nach der Leitspur von Liberté, Égalité, Fraternité aus der französischen Revolution. Hoffen wir also weitere Selbstverständlichkeiten wie das Eintreten für Menschenrechte, für die Sicherung der Lebensfähigkeit auf unserem Planeten, für Friedenssicherung und partnerschaftliche Zusammenarbeit.
Wem das zu langweilig ist, darf gelegentlich herzerweichende Nichtigkeiten erwarten. Wie die Geschichte eines Präsidenten, der seiner Ehefrau eine Pusteblume vom Rasen der Weißen Hauses pflückt und sie ihr stolz überreicht. Versprochen, und darauf freut sich ein Kommentare schreibender Journalist schon jetzt.
„In den letzten vier Jahren hat sich der Schreiber dieser Zeilen mit Untaten „made in USA“ beschäftigen müssen.“
Peter W. Schroeder
berichtet aus Washington, redaktion@vn.at