Fehlverhalten
Dass sich ein früher mehrfach verhaltensauffällig gewordener österreichischer Fußballspieler bei der Europameisterschaft seinen Torjubel mit ordinären Beleidigungen eines Gegenspielers würzte und deshalb für ein Spiel gesperrt wurde, wird bald wieder vergessen sein. Immerhin hat er sich entschuldigt und spendet 25.000 Euro für ein Integrationsprojekt, bei einem kolportierten Verdienst von 220.000 Euro (pro Woche, nicht pro Monat) ist das allerdings nur ein kleiner Griff in seine Portokassa. Man nimmt das ebenso wie Tätlichkeiten auf dem Spielfeld als Teil eines Unterhaltungsprogramms, was der vielfachen Bewunderung für Spitzensportler keinen Abbruch tut. Verbale Auseinandersetzungen dieser Art in einem Parlament hätten einen kräftigeren Aufschrei der Empörung zur Folge. Die dort vorkommenden Beleidigungen liegen allerdings eher auf kabarettistischem Stammtischniveau („Sie sind offenbar im Sternzeichen des Krokodils geboren: Große Klappe, kleines Hirn“).
„Transparenz ist jedenfalls das kleinere Übel.“
Hinsichtlich des Vertrauens in der Bevölkerung liegen Profisportler unter allen Berufsgruppen im Durchschnitt. An der Spitze stehen die Polizei und die Feuerwehr sowie alle jene, die in Gesundheitsberufen tätig sind (und das schon vor Corona). Schlecht schneiden beispielsweise Journalisten, Werbefachleute oder Versicherungsvertreter ab, auch die katholische Kirche kämpft mit ordentlichem Misstrauen, wozu hochrangige Amtsträger selbst nach Kräften beitragen. Wenig überraschend ist die rote Laterne für Politiker und ihre Parteien. Durch die öffentlich gewordenen Chatprotokolle von Bundeskanzler, Finanzminister und oberstem Wirtschaftsmanager und das Ignorieren des Verfassungsgerichtshofes durch unvollständige Aktenvorlage dürfte das wohl noch schlechter geworden sein.
Irritierend ist der Erklärungsversuch, Unterhaltungen dieses Niveaus fänden sich auf den meisten Handys. Das ist eigentlich eine viele anständige Menschen beleidigende Unterstellung. Auch dass man so etwas eigentlich gar nicht schreiben sollte, führt in die Irre. Maßgeblich ist nicht, dass geschrieben, sondern was beschrieben wurde – nämlich beispielsweise Postenschacher oder die Androhung finanzieller Konsequenzen für kirchliche Kritik an der Art und Weise, wie Flüchtlinge abgeschoben werden. Die Veröffentlichung persönlicher Textnachrichten (allerdings mit Diensthandys versandt!) ist ohne Zweifel eine heikle Gratwanderung. Was bisher bekannt wurde, bezog sich aber gar nicht auf Themen höchstpersönlicher Lebensbereiche, sondern auf die Ausübung staatlicher Macht. Hier den Vorhang vielleicht sogar mit einer Grenzüberschreitung einen Spalt weit geöffnet und für Transparenz gesorgt zu haben, ist jedenfalls das kleinere Übel, als es die Fortsetzung solchen politischen Fehlverhaltens wäre.
Jürgen Weiss vertrat das Land als Mitglied des Bundesrates zwanzig Jahre lang in Wien und gehörte von 1991 bis 1994 der Bundesregierung an.
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