Peter Schröder

Kommentar

Peter Schröder

Die Taten der Täter

Politik / 28.06.2021 • 11:00 Uhr

Das Urteil gegen den US-Polizisten Derek Chauvin, der mit seinem Knie einen farbigen Mitbürger erwürgte, sollte Anlass für Fragen sein: Ist die verhängte Strafe von rund 22 Jahren Haft “angemessen” oder gerecht, wenn andere US-Polizisten bei vergleichbaren Tötungen regelmäßig ungeschoren davon kommen? Und was signalisieren US-Richter, wenn sie (meinst farbige) Angeklagte wegen Bagatellvergehen zu lebenslangen Zuchthausstrafen verurteilen?

Dazu ist nicht nur in den USA zu fragen, wie Politik, Justiz und Gesellschaft mit anderen Tätern umgehen. Etwa mit Politikern und ihren Helfershelfern, deren Handeln, Ignorieren, oder Unterlassen, ursächlich für Qualen und Tod ungezählter Menschen verantwortlich wurde. Zur langen Geschichte ungesühnt bleibender Vergehen gegen die Menschlichkeit gehört auch das billigende Hinnehmen und Unterstützen von Unrechtstaten.

Aktuelle Beispiele für straflos Handelnde sind Politiker in den USA, Brasilien und anderswo, deren Reaktionen auf die Corona-Pandemie mit Negieren, Lug und Trug den vermeidbaren Tod von hunderttausenden Menschen zur Folge hatte. Und wo ist die Sühne für den weißrussischen Präsidenten oder die Militärmachthaber in Myanmar, die mit verbrecherischem Eifer Demokratie-Bewegungen niederknüppeln? Oder für die chinesische Führung, die dasselbe in Hongkong betreibt und Konzentrationslager für eine muslemische Minderheit unterhält.

Auch eine aufgeklärte Multi-Kulti-Gesellschaft wie in Kanada ist nicht gegen systemischen Rassismus und kulturellen Genozid gefeit. Bis in die 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts hatte die Regierung indigene Kinder zur Zwangsassimilierung in von Kirchen betriebene Lager gesteckt. Mehrere tausend “Indianer-Kinder” überlebten die Torturen nicht. Von den dafür Verantwortlichen lebt niemand mehr und können deshalb auch nicht zur Verantwortung gezogen werden.

Aber wie gehen wir mit den lebenden und aktiven Tätern um? Sie haben offensichtlich nicht mehr zu fürchten, als bei der nächsten Wahl abgewählt zu werden. Falls die Wahl nicht manipuliert ist, und die Täter das Wahlergebnis akzeptieren. Wenn Täter nicht strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden, bleibt den Gutwilligen und Gerechten eines: Sie dürfen die Taten der Täter und ihre Opfer nicht vergessen und sollten Tätern am nächsten Wahltag jedwede Gefolgschaft verweigern.