Vom Vorzeigeland zum Störfall?

Slowenien übernimmt am 1. Juli die EU-Ratspräsidentschaft.
ljubljana Vor ziemlich genau 30 Jahren wurde Slowenien ein unabhängiger Staat. Am 25. Juni 1991 verließ die damalige Teilrepublik das vor dem Zerfall stehende sozialistische Jugoslawien. Der zehntägige Krieg, den der Angriff der jugoslawischen Armee auslöste, verlief vergleichsweise glimpflich. Heute blickt Slowenien auf eine Erfolgsgeschichte zurück. Parlamentarische Demokratie und Marktwirtschaft fassten Fuß. 2004 erfolgte der Beitritt zu EU und Nato.
Freundschaft mit Orban
Vom 1. Juli an wird Slowenien nun zum zweiten Mal für ein halbes Jahr den Vorsitz in den EU-Räten führen. Ministerpräsident Janez Jansa sorgt indes immer wieder mit Angriffen auf Medien und mit rechtsstaatlich bedenklichen Maßnahmen gegen Kritiker für Aufsehen. Der Rechte regiert seit März letzten Jahres an der Spitze einer Koalitionsregierung ohne gesicherte Parlamentsmehrheit. Als versierter Machtpolitiker – im Unabhängigkeitskrieg von 1991 war er Verteidigungsminister – hält er dennoch alle Zügel fest in der Hand. Er pflegt eine Freundschaft zu Ungarns Regierungschef Viktor Orban, der sich zur Errichtung einer „illiberalen Demokratie“ bekannt hat.
„Die slowenische Ratspräsidentschaft wird eine verantwortungsvolle Rolle dabei spielen, um ein gemeinsames Verständnis darüber zu erzielen, wie die Rechtsstaatlichkeit in der EU gestärkt werden kann“, erklärte Staatssekretär Gasper Dovzan. Dabei müssten aber auch unterschiedliche Traditionen und Bedingungen in den einzelnen Mitgliedsländern Berücksichtigung finden. „Internationale Medien“, so Dovzan, hätten Slowenien in Misskredit gebracht, seit die Rechte im Land regiert. Dabei tue diese nichts anderes, als die so empfundene Aushöhlung der Rechtsstaatlichkeit durch vorangegangene linke und links-liberale Regierungen zu reparieren. Jansa selbst diffamiert die Politiker des linken und liberalen Lagers zusammen mit Medienleuten, unabhängigen Richtern, kritischen Intellektuellen und zivilen Aktivisten als Mitglieder oder Höflinge der „kommunistischen Elite“ von anno dazumal.
Sie kenne diese Argumente nur zu gut, sagt Katarina Bervar-Sternad, die die Rechtshilfeorganisation PIC leitet. „Jansa hat schon vor seinem Machtantritt angekündigt, dass die Zivilorganisationen und die Medien die ‚Feinde‘ seien und dass er mit ihnen abrechnen werde. Wir dachten aber nicht, dass es diese Ausmaße annehmen würde.“ Unter dem Vorwand der Corona-Bekämpfung hob die Regierung die Versammlungsfreiheit auf. Demonstranten belegte die Polizei mit ruinösen Geldstrafen. Das Regierungspresseamt enthält der Nachrichtenagentur STA die öffentlichen Gelder vor; zugleich fordert es Einsicht in Dokumente der Agentur, was gesetzlich nicht gedeckt ist. Jansa blockiert zudem die Entsendung zweier slowenischer Ankläger für die neue Europäische Staatsanwaltschaft. Über Twitter greift er Journalisten mit unflätigen Ausdrücken an. Optimisten könnten meinen, dass die EU-Ratspräsidentschaft mäßigend auswirken würde. Menschenrechtsanwältin Bervar-Sternard ist skeptisch. „Wir sehen keine Wende zum Besseren.“