Aufarbeitung der Terrornacht in Paris

Prozessauftakt über fünf Jahre nach den Anschlägen mit 130 Toten.
Paris Die Luft ist vor Spannung geladen und die Erinnerung an die Terrornacht vor sechs Jahren wieder greifbar nah, als Salah Abdeslam im Pariser Gerichtssaal zu sprechen beginnt. Er gilt als einer der Haupttäter und einziger Überlebender des Terrorkommandos, das in der französischen Hauptstadt bei einer islamistischen Anschlagserie 130 Menschen tötete, 350 verletzte und das ganze Land traumatisierte. Gleich in seinen ersten Worten zum Prozessauftakt am Mittwoch im Pariser Justizpalast, als es eigentlich um seine Personalien geht, bekennt er sich als Kämpfer der Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Dies sei sein Beruf. Abdeslam gibt sich wenig kooperativ und stur, verweigert sogar eine einfache Auskunft über seine Eltern.
Die Sicherheitsvorkehrungen, die in Frankreich wegen Terrordrohungen ohnehin schon enorm sind, wurden für den “Bataclan”-Prozess noch einmal hochgefahren. Fast 1000 Polizistinnen und Polizisten sichern das Verfahren, der Justizpalast ist weiträumig abgesperrt und von Spezialkräften umringt. Der Verhandlungssaal wurde eigens für das Verfahren hergerichtet und bietet 550 Menschen Platz. Angehörige und Betroffene finden im Saal selbst und im Gerichtsgebäude psychologische Betreuung. Auch Übertragungsräume wurden geschaffen.
Bei der Anschlagsserie am 13. November 2015 hatten Extremisten im Konzertsaal “Bataclan” sowie in Bars und Restaurants 130 Menschen erschossen und 350 weitere verletzt. Am selben Abend sprengten sich drei Selbstmordattentäter während eines Fußball-Länderspiels zwischen Deutschland und Frankreich am Stade de France in die Luft. Der IS reklamierte die Anschläge für sich.
Angeklagt sind nun 20 Verdächtige. Abdeslam (31) steht dabei im Mittelpunkt. 13 weiteren Angeklagten wird die Unterstützung der Terroreinheit vorgeworfen. Sie sollen Papiere besorgt, Abdeslam außer Landes gefahren oder in zwei Fällen verhinderte Attentäter sein. Gegen sechs andere Angeklagte wird der Prozess in Abwesenheit geführt. Fünf von ihnen kamen vermutlich in der Zwischenzeit in Syrien ums Leben, einer ist wegen Terrorvorwürfen in der Türkei inhaftiert. Der Mehrheit der Angeklagten drohen in dem bis Mai 2022 angesetzten Verfahren 20 oder mehr Jahre Haft. Abdeslam wurde wegen Schüssen auf die Polizei kurz vor seiner Festnahme bereits in Belgien zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt.
Der vorsitzende Richter Jean-Louis Périès spricht zu Beginn von einem außergewöhnlichen und historischen Prozess. Dieser wurde monatelang intensiv vorbereitet und versammelt mehr als 1700 Nebenklägerinnen und Nebenkläger. Die ersten beiden Prozesstage werden daher damit zugebracht, ihre Namen zu verlesen. Später sollen etwa 300 Opfer und ihre Angehörige das Erlebte schildern, unter Hunderten geladenen Zeugen ist auch der damalige französische Präsident François Hollande.