„Lieber Tod als Nadel“?

Politik / 12.09.2021 • 22:40 Uhr

Ein Virus verursacht weiterhin ein tägliches Massensterben. Obwohl in den industrialisierten Ländern ein ziemlich wirksames Verhütungsmittel in Form diverser Impfstoffe herumliegt: Weil sich Heerscharen von Impfgegnern und Verschwörungstheoretikern partout nicht impfen lassen wollen. Allerorten angestachelt und aufgewiegelt von Politikern und Normalmenschen, die logisch Denken, sowie Lesen und Schreiben können – manchmal eben auch nicht.

Der ehemalige deutsche Bundespräsident und frühere Pfarrer Joachim Gauck identifizierte Pandemie-Leugner und Impf-Averse jetzt pauschal als Heerschar von Derangierten. Von anderen Menschen werden die ein Leben rettendes Medikament ablehnenden Mitglieder der „Impfen-nein-Danke“-Gesellschaft als potentielle Selbstmörder und oft auch als unabsichtliche Totschläger eingestuft: Weil Ungeimpfte erwiesenermaßen bevorzugt vom Virus heimgesucht werden und sie es vor dem eigenen möglichen Tod häufig an andere Zeitgenossen weiterreichen, die dann ihrerseits das Leben verlieren.

Zur Chaos-Bewältigung lockten Regierungen die Impfverweigerer vielerorts mit Prämienzahlungen und anderen „Preisen“ an die kostenlose Impfnadel, aber ein kompletter Erfolg war es nicht: Weltweit raffte das Virus seit Anfang vergangenen Jahres schon 4,8 Millionen nahezu ausschließlich ungeimpfte Menschen dahin. 655.000 Tote allein in den USA. Derzeit sterben hier alle zwei Tage mehr mit Covid infizierte Menschen als bei den Terroranschlägen am 11. September vor 20 Jahren zu Tode kamen.

Wegen der nachlassenden Impfbereitschaft im eigenen Land mit der „Lieber Tod als Nadel“-Fraktion hat US-Präsident Joseph Biden deshalb jetzt die Reißleine gezogen. Er setzt nicht länger auf gute Worte, Mahnungen zur Solidarität und Versprechungen, mit dem Leben davonzukommen. Stattdessen ordnete er für die 80 Millionen ungeimpften erwachsenen Landeskinder per Präsidentenverfügung eine Impfpflicht durch die Hintertür ein: Wer sich nicht schützen lässt und damit auch andere in Gefahr bringt, muss mit dem Verlust seines Arbeitsplatzes rechnen und wird vom gesellschaftlichen Leben weitgehend ausgeschlossen.

Natürlich ist der Aufschrei im selbsternannten „Land der Freiheit“ groß und der Gang zum Kadi angekündigt. Aber die Zustimmung im Volk ist grösser. Wohl auch, weil der totalen „Freiheit“ Grenzen gesetzt werden müssen, wenn sie Freiheit und Leben der Anderen bedroht. – Frage: Zur Nachahmung empfohlen?

„Er setzt nicht länger auf gute Worte, Mahnungen zur Solidarität und Versprechungen, mit dem Leben davonzukommen.“

Peter W. Schroeder

berichtet aus Washington, redaktion@vn.at