Neue Sanktionen nahen

Politik / 10.11.2021 • 22:43 Uhr
Polen hat Tausende Soldaten an der Grenze stationiert.
Polen hat Tausende Soldaten an der Grenze stationiert.

Angespannte Lage an östlicher EU-Außengrenze. Polen spricht von Staatsterrorismus.

minsk, warschau Angesichts steigender Migrantenzahlen an der östlichen EU-Außengrenze bereiten die EU-Staaten den Boden für Sanktionen gegen beteiligte Fluggesellschaften. Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki warf der belarussischen Führung in Minsk am Mittwoch Staatsterrorismus mit dem Ziel einer Destabilisierung der Europäischen Union vor.

Der Führung in Belarus wird vorgeworfen, gezielt Migranten ins Land zu holen, um sie dann zur Weiterreise in die EU an die Grenze zu Polen zu bringen. Die Vermutung ist, dass sich Machthaber Alexander Lukaschenko damit für Sanktionen rächen will, die die EU wegen der Unterdrückung der Zivilgesellschaft und der Opposition erlassen hat. Das neue EU-Sanktionsinstrument, das etwa gegen Fluggesellschaften oder Reiseveranstalter zum Einsatz kommen könnte, soll nach Angaben von Diplomaten bereits am kommenden Montag bei einem EU-Außenministertreffen formell beschlossen werden. Im nächsten Schritt könnten dann konkrete Strafmaßnahmen verhängt werden.

Kein Zugang

Die Lage an der polnisch-belarussischen Grenze ist angespannt. Mehrere Gruppen von Migranten durchbrachen polnischen Medienberichten vom Dienstagabend zufolge die Grenze von Belarus nach Polen. Zahlreiche weitere Menschen kampieren den Angaben nach auf belarussischer Seite im Grenzgebiet. Diese Angaben lassen sich kaum verifizieren, der Zugang zur Grenze ist abgeriegelt. Das EU-Mitglied Polen hat Tausende Soldaten an der Grenze stationiert.

In einem Telefonat mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin habe die geschäftsführende deutsche Kanzlerin Angela Merkel am Mittwoch unterstrichen, dass die Instrumentalisierung von Migranten gegen die EU durch Lukaschenko unmenschlich und vollkommen inakzeptabel sei, teilte der Regierungssprecher in Berlin, Steffen Seibert, mit. Merkel habe Putin gebeten, auf das Regime in Minsk einzuwirken. Vom Kreml in Moskau hieß es, Putin habe vorgeschlagen, dass sich die EU direkt mit der Führung in Belarus um eine Lösung des Problems bemühen sollte. Kremlsprecher Dmitri Peskow wies Vorwürfe als „absolut unangebracht“ zurück, dass Russland etwas mit dem Konflikt zu tun habe.

Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte prangerte die verstärkte Truppenpräsenz und die „hetzerische Rhetorik“ im Konflikt an der Grenze an. Sie sei entsetzt, dass Migranten und Flüchtlinge in verzweifelter Lage bei Temperaturen um den Gefrierpunkt ihrem Schicksal überlassen würden, erklärte Michelle Bachelet in Genf. Polen erwägt laut Regierungssprecher Piotr Müller, die Grenze zu Belarus komplett zu schließen. Dies werde als Option in weiterreichenden Szenarien berücksichtigt, sagte er zu „Wirtualna Polska“.  Nach Medienberichten gelang es zwei größeren Gruppen von Migranten, die Grenze von Belarus nach Polen zu durchbrechen. Mehreren Dutzend von ihnen sei es gelungen, Zäune in der Nähe der Dörfer Krynki und Białowieża zu zerstören und die Grenze zu passieren, berichtete die polnische Nachrichtenagentur PAP. Einige der Menschen seien nach Belarus zurückgebracht worden.

Bei Kälte müssen auch Kinder im Grenzgebiet ausharren.
Bei Kälte müssen auch Kinder im Grenzgebiet ausharren.
Zahlreiche Menschen warten auf ein Weiterkommen. Dieses Bild stammt vom polnischen Verteidigungsministerium. MON/REUTERS, AP
Zahlreiche Menschen warten auf ein Weiterkommen. Dieses Bild stammt vom polnischen Verteidigungsministerium. MON/REUTERS, AP