Streit um Impf-Patentschutz

Politik / 26.11.2021 • 22:36 Uhr
Ein Treffen der Welthandelsorganisation steht an. Schramböck ist gegen eine Patentfreigabe:
Ein Treffen der Welthandelsorganisation steht an. Schramböck ist gegen eine Patentfreigabe: “Es ist kein Problem der Produktion.”APA

Der Druck auf Schramböck steigt. Ärzte ohne Grenzen fordert Freigabe.

wien Vor dem Hintergrund der neuen Virusvariante im südlichen Afrika steigt der Druck auf Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP), einer weltweiten Freigabe von Impfstoffpatenten zuzustimmen. Bei der Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation (WTO) stehe kommende Woche eine entscheidende Weichenstellung bevor, sagt Marcus Bachmann von Ärzte ohne Grenzen (MSF) am Freitag.

Viele Fürsprecher

Nachdem sich bereits Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) entsprechend positioniert hatte, deklarierten sich nun auch drei seiner Vorgänger – Rudolf Anschober (Grüne), Alois Stöger (SPÖ) und Maria Rauch-Kallat (ÖVP) – für die Patentfreigabe. Unter anderem sind auch Ex-Vizekanzler Clemens Jabloner, Epidemiologe Gerald Gartlehner sowie Patientenanwältin Sigrid Pilz (Wien) dafür. Die Pharmaindustrie ist dagegen. Dort heißt es, die Produktion der Impfstoffe sei nicht das Problem, sondern die Verteilung.

Bachmann widerspricht. Mit dem Nein zu einer Patentfreigabe gebe man dem Coronavirus einen Vorsprung: „Wir können, wenn wir das Infektionsgeschehen weltweit auf einem so hohen Level weiterlaufen lassen, es nur als eine Frage der Zeit betrachten, bis sich eine neue Variante durchsetzen wird, weil sie ansteckender, weil sie tödlicher ist“, mahnt der Experte. Wenn es nicht Südafrika sei, werde es irgendwo anders auf der Welt sein.  

Die von Südafrika bereits vor über einem Jahr beantragte Patentaufhebung („TRIPS-Waiver“) soll die Produktion von Impfstoffen, Medikamenten und auch Ausrüstung erleichtern. Laut Bachmann wurde die Entscheidung bereits acht Mal vertagt, während es weiterhin eine Produktionslücke bei den Impfstoffen gebe. Zugleich sei der Bedarf in den entwickelten Staaten jüngst explosionsartig gestiegen. Auch hätten die reicheren Staaten ihre Spendenzusagen bisher nicht annähernd erfüllt: „Die Impfstoffe sind jetzt erforderlich. Eine Spende Ende 2022 hat keinen oder fast keinen Impact mehr.“

„Problem der Verteilung“

Schramböck erklärte Mitte November ihr Nein zur Patentfreigabe so: „Es ist kein Problem der Produktion, es wird genügend Impfstoff produziert, es ist ein Problem der Verteilung.“ Deckungsgleich mit der Ministerin argumentiert am Freitag die Pharmaindustrie. Der Fachverband der Chemischen Industrie Österreichs verweist in einer schriftlichen Stellungnahme darauf, „dass die Aufhebung des Patentschutzes für Corona-Impfstoffe nicht die Lösung für das Verteilungsproblem sein kann, da bereits in ausreichendem Maße Impfstoffe hergestellt“ würden. FCIO-Geschäftsführerin Sylvia Hofinger betonte zu Beginn des Monats, dass der entscheidende Faktor die Verteilung des Impfstoffs und die Akzeptanz der Bevölkerung in allen Ländern sei: „Es ist ein sich hartnäckig haltender Mythos, dass die Aufhebung des Patentschutzes zu einer schnelleren und besseren Versorgung in den ärmsten Ländern führt.“