Danke, FPÖ!

Politik / 29.11.2021 • 22:48 Uhr

Österreich hat der FPÖ – einmal mehr – viel zu verdanken. Dass in Österreich die Ansteckungszahlen und damit der Druck auf Spitäler steil in die Höhe geschnellt sind und die Regierung keinen anderen Ausweg mehr sah, als zu den letzten Mitteln zu greifen – Lockdown und Impfzwang – ist genau jenen geschuldet, welche diese Mittel angeblich mit allen Instrumenten aus ihrer populistischen Trickkiste bekämpfen: der FPÖ. Diese verführt ihre Anhängerschaft mit gefährlicher Polemik: FPÖ-Chef Kickl unterstellt der Regierung diktatorische Machenschaften. Mit diesem Trick versucht die FPÖ, sich durch die Hintertür die allerletzte Waffe zu beschaffen, welche die Demokratie kennt: Den (legitimen) Widerstand gegen das Kippen eben dieser Demokratie in eine Diktatur.

Dabei ist eher das Gegenteil der Fall: Allzu lange hat Ex-Kanzler Sebastian Kurz gegen alle Ratschläge die Gefährlichkeit von Covid verharmlost – und bis zuletzt versucht, die immer dringendere Verschärfung der Maßnahmen zu verhindern. Diese kamen dann letztlich von den Landeshauptleuten, den eigentlichen Machthabern dieser Nation, insbesondere in Zeiten des herrschenden Machtvakuums an der Spitze. Weshalb Kurz ewig zauderte und die Pandemie schönredete, war klar: Erstens, um sich selbst und die Effektivität seiner Maßnahmen (bzw. Nicht-Maßnahmen) zu preisen, und zweitens, mit Seitenblick auf die populistische FPÖ, um unpopuläre Maßnahmen, die den Österreichern möglicherweise den Sommerspaß getrübt hätten, zu vermeiden. Dafür zahlt die Nation jetzt einen hohen Preis.

Unterdessen wurde der Papst aller österreichischen Anti-Vaxxer, FPÖ-Chef Kickl, positiv getestet und musste vorübergehend in Isolation. Offenbar hat das von ihm propagierte Pferde-Entwurmungsmittel Ivermectin ausgerechnet bei ihm nicht gewirkt. Fast noch amüsanter Ex-Vizekanzler Strache, der jetzt, als Konsequenz seiner Ibiza-Farce, mit dem Hut in der Hand um eine milde Gabe bittet. Deutlich weniger lustig war allerdings, als Strache, Exponent einer Partei mit Wurzeln im Nationalsozialismus, seinerzeit die rechtsextremen Burschenschafter als „die neuen Juden“ etikettierte. Jeglicher Spaß hört sich nun aber auf, wenn Anti-Vaxxer als selbst proklamierte Opfer mit gelben „Judensternen“ – Symbolen der Ausgrenzung und Ermordung unter dem NS-Regime – auf die Straße gehen. Das wäre ganz einfach nur strohdumm, wenn es nicht so grauenhaft zynisch wäre. Verharmlosung und Verhöhnung des Holocaust auf Österreichs Straßen – das hat dieser Nation gerade noch gefehlt. Danke, FPÖ.

„Jeglicher Spaß hört sich auf, wenn Anti-Vaxxer mit gelben ‚Judensternen‘ auf die Straße gehen.“

Charles E.
Ritterband

charles.ritterband@vn.at

Dr. Charles E. Ritterband ist Journalist und Autor sowie langjähriger Auslandskorrespondent der Neuen Zürcher Zeitung (seit 2001 in Wien).