Neue frauenfeindliche Strategie

Politik / 22.02.2022 • 22:43 Uhr
Frauen protestierten vor der Nationalversammlung in Kuwait gegen die Absage eines Yoga-Wochenendes in der Wüste.  AFP
Frauen protestierten vor der Nationalversammlung in Kuwait gegen die Absage eines Yoga-Wochenendes in der Wüste.  AFP

In Kuwait kämpft eine aufkeimende Frauenbewegung gegen Kleriker und Abgeordnete.

Kuwait-Stadt  Als eine Yogalehrerin in Kuwait für ein Yoga-Wochenende in der Wüste warb, erklärten die Konservativen dies zu einem Angriff auf den Islam: Abgeordnete und Kleriker polterten über die Lasterhaftigkeit von Frauen, die in der Öffentlichkeit Posen wie den Lotus-Sitz praktizieren. Am Ende überzeugten sie die Behörden, die Veranstaltung zu verbieten.

Der Aufruhr um das Yoga-Retreat war nur der jüngste Konflikt im langjährigen Krieg um Frauenrechte in dem ehemals liberalen Emirat, in dem Stammespolitiker und Islamisten immer mehr Macht über eine gespaltene Gesellschaft erlangen. Zunehmend wehren sich konservative Politiker gegen eine feministische Bewegung und das, was sie als Verwässerung der traditionellen Werte Kuwaits sehen – vor dem Hintergrund einer lähmenden Dysfunktionalität der Regierung in wesentlichen Fragen.

Beunruhigender Trend

„Unser Staat rutscht und entwickelt sich in einem Ausmaß zurück, wie wir es noch nie erlebt haben“, sagt die Feministin Nadschiba Hajat bei einer Kundgebung vor dem kuwaitischen Parlament. Für die Kuwaiter ist dies ein beunruhigender Trend, schließlich brüstete sich ihr Land einst mit seiner Progressivität im Vergleich zu den Nachbarn am Golf.

In den vergangenen Jahren gewannen Frauen jedoch auch anderswo auf der konservativen Arabischen Halbinsel Rechte dazu, auch im restriktiven Saudi-Arabien. Im Januar wurde dort ein erstes Freiluft-Yoga-Festival ausgerichtet. „Die frauenfeindliche Bewegung in Kuwait war immer schleichend und unsichtbar, doch jetzt ist sie an die Oberfläche getreten“, sagt die Frauenrechtlerin Alanud Alscharek, die die Gruppe Abolish 153 gegründet hat – eine Kampagne zur Beendigung von Morden an Frauen durch ihre Familien.

Islamisches Kopftuch

Nach den Wahlen 2020 habe der Einfluss von Konseravtiven deutlich zugenommen. So forderten die Kleriker von den Behörden, die Aufnahme von Frauen in die Armee zu überdenken. Erst im Herbst hatte das Verteidigungsministerium die langjährige Forderung erfüllt, Frauen in die Armee eintreten zu lassen. Frauen, so ließen die Geistlichen im Januar mitteilen, sollten nur an kampffreien Einsätzen teilnehmen, wenn sie ein islamisches Kopftuch tragen und die Erlaubnis eines männlichen Vormundes erhalten. Die Entscheidung sorgte für Empörung in Kuwait, wo es der Regierung bisher weitgehend gleichgültig war, ob Frauen ihr Haar bedecken.

Befürworter glauben, dass sich bei den Konservativen Panik breitmacht angesichts der gesellschaftlichen Veränderungen: Vor einem Jahr starteten Aktivisten eine bahnbrechende #MeeToo-Bewegung, um Belästigung und Gewalt gegen Frauen anzuprangern. Auf dem Instagram-Account gingen Hunderte erschütternde Berichte ein und sorgten für einen tiefgreifenden Wandel im öffentlichen Diskurs.

In den vergangenen Monaten erhielten die Organisatorinnen selbst Vergewaltigungs- und Morddrohungen: „Wir … konnten nicht in die Öffentlichkeit gehen, ohne ständig angehalten und belästigt zu werden“, sagt Hajat, die zu den Initiatorinnen der Kampagne gehört. Bezüglich der Verbesserung von Frauenrechten hat sie wenig Vertrauen in die Regierung. Doch dies sei kein Grund, aufzugeben: „Wenn es eine Demonstration gibt, werde ich hingehen“, betont sie. „Wenn man jemanden überzeugen muss, werde ich es versuchen.“

„Unser Staat entwickelt sich in einem Ausmaß zurück, wie wir es noch nie erlebt haben.“