Die Mitmenschlichkeit lebt
Nach dem Beginn der russischen Invasion in der Ukraine fliehen Menschen aus Europa massenhaft in europäische Nachbarländer. Experten fürchten, dass sich mehrere Millionen Menschen aus der Ukraine, dem 44 Millionen Bewohner zählenden Staat zwischen Westeuropa und Russland, vor einer mörderischen Kriegsmaschinerie in Sicherheit bringen wollen.
Seit dem Beginn der Invasion trafen UN-Angaben zufolge schon mehr als 150.000 Fliehende in den Nachbarstaaten Polen, Ungarn, Slowenien, Moldova und Rumänien ein. Jeder Flüchtling mit nicht viel mehr als nur den Kleidern auf dem Leib. Meistens Frauen und Kinder. Denn die ukrainischen Grenzwächter lassen auf Anordnung der Regierung „männliche Personen zwischen 18 und 60 Jahren“ nicht passieren. Sie sollen bleiben und gegen die Invasoren kämpfen.
Die erfreuliche Nachricht im Kriegschaos: In den westeuropäischen Nachbarländern, die sich bei Flüchtlingen aus Syrien, dem Irak, Afghanistan und anderen Krisengebieten in der Vergangenheit eher einen Ruf als „Asylanten-Abwehrstaaten“ erwarben, wurden die bislang Angekommenen mit offenen Armen empfangen. Ob das neue Handlungsmuster etwas damit zu tun hat, dass die Schutzsuchenden „Nachbarn“ und keine „fernen Fremden“ und mehrheitlich keine Muslime sind, ist eine noch nicht zu beantwortende Frage. Immerhin deutet Vieles darauf hin, dass westeuropäische wie nordamerikanische Regierungen so etwas wie eine Neuauflage des deutschen „Wir schaffen das“ versprechen.
Die Europäische Union signalisiert jedenfalls „Aufnahmebereitschaft“ und großzügige Hilfen. US-amerikanische und kanadische Regierungsvertreter kündigten eine beschleunigte Bearbeitung von Asylanträgen an. Eine der Ursachen für die bekundete Hilfsbereitschaft ist mit Sicherheit auch die Tatsache, dass in Westeuropa, sowie in Nordamerika viele Millionen Menschen (und Wähler) mit „ukrainischen Wurzeln“ leben.
Natürlich wird sich mit einiger Sicherheit bald wieder die rechtsmuffig vor „Überfremdung“ und „Freiheitsbedrohung“ warnende Internationale der Anti-Asyl-Bedenkenträger zu Wort melden. Aber ihr amoralischer Verbal-Müll muss und wird diesmal offensichtlich in die Abfalltonne der Geschichte befördert. Denn die Meldungen vom Tod der Mitmenschlichkeit haben sich nun als verfrüht erwiesen. Und das gegenwärtige Handeln von Menschen in der freien Welt ist ein verdienter Schlag ins Gesicht eines verächtlichen Kriegsbetreibers in Moskau.
„Die Europäische Union signalisiert jedenfalls ,Aufnahmebereitschaft‘ und großzügige Hilfen.
Peter W. Schroeder
berichtet aus Washington, redaktion@vn.at