Diese Baustellen erwarten Johannes Rauch

Politik / 05.03.2022 • 05:45 Uhr
Diese Baustellen erwarten Johannes Rauch
Rauch erwartet sich keine Schonfrist. APA

Die Pandemie verursachte Stillstand: Nun ist Tempo in der Pflege und beim Nutztierschutz gefragt.

Wien „Ich erwarte mir keine Schonfrist“, sagte neue Minister Johannes Rauch am Freitag bei der ersten Pressekonferenz in seiner neuen Rolle als künftiger Gesundheitsminister. Ein realistischer Blick des Politprofis: Denn auf den Vorarlberger kommen rasch große Aufgaben zu – auch abseits der Bewältigung der Corona-Pandemie und deren Langzeitfolgen. Sein neues Aufgabengebiet umfasst neben Gesundheit und Soziales auch Pflege, Konsumenten- und Tierschutz. Die VN haben Expertinnen und Experten um eine Einschätzung gebeten, wo neben der Covid 19-Pandemie die größten Baustellen sind.

Der Pflegebedarf steigt, Ausbildungsoffensiven sind notwendig.  <span class="copyright">APA/Fohringer</span>
Der Pflegebedarf steigt, Ausbildungsoffensiven sind notwendig.  APA/Fohringer

Bedarf an Pflegekräften 

„Es sind sich alle einig, dass der Personalmangel das größte Problem ist. Wir sehen in den demographischen Daten, dass die Nachfrage noch stärker ab 2035 steigen wird, wenn die Baby-Boomer-Generation in ein pflegebedürftiges Alter kommen“, sagt Ulrike Famira-Mühlberger. Die Expertin des Wirtschaftsforschungsinstituts Wifo war Mitglied der Pflege-Taskforce, die unter Rudolf Anschober einberufen wurde. „Ein Beteiligungsprozess ist mehr oder minder aber alles, was bislang statt gefunden hat. Auch wenn damals fälschlicherweise kommuniziert wurde, dass eine Pflegereform fertig wäre“, berichtet sie.

Das einzige was davon bislang in Umsetzung gegangen ist, sind die sogenannten Community Nurses, deren Aufgaben niederschwellige Prävention und die Koordination von Unterstützungsmöglichkeiten sind. Aber, so Famira-Mühlberger: „Nicht so, wie es im Regierungsübereinkommen festgeschrieben steht mit 500, sondern nur mit 120 Stellen.“

Viele, die in der Pflege tätig sind, harren nun weiterer Reformen. Es brauche vor allem eine Ausbildungsoffensive, dazu gehören Umschulungsangebote, sagt Famira-Mühlberger: „Da ist im Arbeitsministerium einiges passiert – wie etwa ein Programm des AMS, Arbeitslose in die Pflege umzuschulen und eine Aufstockung des Fachkräftestipendiums.“ 

Datenlage verbessern

„Beim AMS gibt es regionale Geschäftsstellen. Daher wissen wir gut Bescheid über regionale Arbeitsmärkte. Im Bereich der Pflege gibt es so etwas nicht“, sagt Famira-Mühlberger. Eine Nachschärfung sei für eine Planung aber essentiell.

Eine Verbesserung im Gesundheitswesen könne man nur erreichen, wenn man weiß, was funktioniert und was nicht. Und dazu brauche man Daten, sagt auch Gesundheitsökonom Thomas Czypionka vom Institut für höhere Studien (IHS). 

Es gibt zudem eine laufende Gesundheitsreform mit dem Titel „Zielsteuerung-Gesundheit“, erinnert Czypionka. Hier bräuchte es dringend neuer Impulse. Sie werden immer für fünf Jahre festgelegt und wurden seit der Pandemie nur verlängert. 

Noch immer ist Ferkelkastration ohne Betäubung in Österreich erlaubt.  <span class="copyright">APA</span>
Noch immer ist Ferkelkastration ohne Betäubung in Österreich erlaubt.  APA

Tierschutz konsequenter umsetzen

„Gerade die Tierschutzagenden liegen seit Jahren brach und sind mittlerweile dringender denn je“, sagt Eva Rosenberger, Direktorin der Tierschutzorganisation Vier Pfoten. Die Tierschutzpolitik in Österreich sei zudem schon viel zu lange von der Perspektive der ÖVP-Landwirtschaft dominiert, die jede Reformen blockiert hat, kritisiert sie.

Rasche Reformen sind, so Rosenberger, in folgenden Bereichen gefragt: „Bei den Verboten der Vollspaltenböden für Schweine und Mastrinder, der Anbindehaltung bei Kühen sowie der Ferkelkastration ohne jegliche Betäubung – denn all das ist in Österreich, das immerhin Tierschutz in seiner Verfassung verankert hat, an der Tagesordnung.“

Rosenberger fordert zudem mehr Transparenz für Konsumentinnen und Konsumenten. Denn nach wie vor landen importiertes Billigfleisch und Käfigeier auf Österreichs Tellern. Eine Herkunfts- und auch Haltungskennzeichnung müsse für die gesamte Gastronomie gelten. „Bislang hat sich die Landwirtschaftsministerin, die auch für Gastronomie zuständig ist, stets von der Gastro-Lobby in der Wirtschaftskammer ausbremsen lassen“, sagt Rosenberger.

Ein nachhaltigerer Umgang mit Elektrogeräten ist notwendig. <span class="copyright"> dpa/Stratenschulte</span>
Ein nachhaltigerer Umgang mit Elektrogeräten ist notwendig.  dpa/Stratenschulte

Recht auf Reparatur

Die EU-Kommission plant zahlreiche Initiativen, um „Verbraucherrechte in einer durch die Digitalisierung gewandelten Welt“ zu stärken. Im zuständigen Ausschuss liegen folgende Themen am Tisch, berichtet eine EU-Beamtin: Der geplanten Obsoleszenz soll es an den Kragen gehen – damit ist ein vorzeitiger Verschleiß gemeint. Das EU-Parlament fordert ein „Recht auf Reparatur“.

Diesbezüglich sind auch nationale Anstrengungen gefragt – auch im Sinne einer Kreislaufwirtschaft: Jährlich werden in der EU 7,4 Milliarden Tonnen Abfälle verarbeitet, nur rund neun Prozent davon werden wiederverwertet.