1,5 Millionen Ukrainer auf der Flucht

Die Evakuierung von Zivilisten im Mariupol scheiterte am Wochenende erneut. Am Montag soll es neue Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine geben.
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Wien, Kiew Nun liegt die Hoffnung auf einer nächsten Gesprächsrunde am Montag. Die Ukraine und Russland teilten am Sonntag mit, dass eine neue Verhandlungsrunde geplant sei. Ort oder Uhrzeit wurden noch nicht kommuniziert. In einem Telefonat mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan hatte der russische Präsident am Sonntag einmal mehr gesagt, dass er nicht kompromissbereit sei.
Zuletzt war die Evakuierung Hunderttausender Zivilisten aus der von Russland belagerten ukrainischen Stadt Mariupol gescheitert. Knapp 445.000 Menschen lebten vor Beginn des Kriegs in der Hafenstadt. Seit Tagen sitzen viele von ihnen ohne Strom und Heizung fest. Laut ukrainischer Seite soll es viele Tote und Tausende Verletzte geben.
Wie das UNO-Hochkommissariat für Menschenrechte (OHCHR) am Sonntag mitteilte, wurden bisher 364 Zivilisten getötet und 759 verletzt. Darunter waren auch mindestens 41 Kinder. Die meisten Opfer seien durch den Einsatz von Explosivwaffen mit weitem Wirkungsbereich verursacht worden, darunter Beschüsse durch schwere Artillerie und durch Raketen.
In der Nacht auf Sonntag gab es weitere russische Angriffe auf Kiew, Charkiw und Mykolajiw. David Arachamija, Leiter der ukrainischen Delegation für Gespräche mit Russland, hoffte am Sonntagabend auf einen weiteren Versuch. „So Gott will“ werde es einen humanitären Korridor aus der ostukrainischen Stadt Charkiw geben.
1,5 Millionen auf der Flucht
Nach Schätzung der UN-Flüchtlingsorganisationen UNHCR sind 1,5 Millionen Menschen auf der Flucht vor dem russischen Angriffskrieg. Nach Angaben des polnischen Grenzschutzes sind seit Beginn des Kriegs 964.000 Menschen aus dem Nachbarland gekommen. „Dies ist nun die am schnellsten wachsende Flüchtlingskrise seit dem Zweiten Weltkrieg“, teilte die Organisation am Sonntag auf Twitter mit.
Internationale Vermittlungsversuche scheiterten bislang. Erdogan versuchte am Sonntag auf Putin einzuwirken und bot sich als Vermittler an. Er forderte eine Waffenruhe, die Öffnung humanitärer Korridore und die Unterzeichnung eines Friedensabkommens. Der russische Präsident habe, laut Informationen des Kremls, hingegen bekräftigt, dass er nicht nachgeben werde. Der „Einsatz“ werde erst dann beendet, wenn die Ukraine den Kampf einstelle und die Forderungen Russlands erfüllt würden.
Neben Erdogan hatten am Wochenende auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und der israelische Ministerpräsident Naftali Bennett versucht, auf Putin einzuwirken. Putin machte bei dem Gespräch mit Macron die Ukraine für die weiteren Eskalationen verantwortlich.
Am Wochenende kritisierte das russische Außenministerium zudem Bundeskanzler Karl Nehammer und Alexander Schallenberg (beide ÖVP). Moskau sprach von einem nur „scheinbar neutralen Österreich“ und warf den Politikern „emotionale antirussische Rhetorik“ vor. Das österreichische Außenministerium reagierte auf Twitter auf Deutsch und Russisch: „Österreich ist militärisch gesehen ein neutraler Staat. Aber wir sind politisch niemals neutral, wenn es um die Achtung des Völkerrechts geht.“
Demokratien gegen Autokratien
Auch EU-Kommissionschefin Ursula van der Leyen fand am Sonntag deutliche Worte im Interview mit dem US-Sender CNN: „Das ist nicht nur ein Kampf der Ukraine gegen Russland. Es geht auch um den Kampf der Demokratien gegen die Autokratien.“ Daher werde die Ukraine weiter unterstützt.
Am Sonntag kam es zu weiteren wirtschaftlichen Konsequenzen für Russland: Visa und Mastercard, die weltgrößten Kreditkartenanbieter, setzten ihre Geschäfte in Russland aus. Das betrifft immerhin drei Viertel der Kartenzahlungen.