Gerold Riedmann

Kommentar

Gerold Riedmann

Rauch im Nebel

Politik / 19.03.2022 • 06:00 Uhr

Österreichs Covid-Strategie ist keine Strategie. Jedenfalls keine gute.

Die Regierung hat mit der übereilten Öffnung am 5. März vor allem eines erreicht: Sie hat die Pandemie sinnlos verlängert, die Krankenhäuser an ihr Limit gebracht. Nicht wegen der Betten, nicht wegen der Beatmungsgeräte, sondern weil in den Kliniken Menschen arbeiten. Menschen, die seit zwei Jahren an der Belastungsgrenze im Einsatz sind, und die nun halt erkranken und ausfallen, wie der Rest des Landes ja auch.

Otto Normalverbraucher zittert vor dem Freitesten und hofft auf einen halbwegs akzeptablen ct-Wert, aber wer im Gesundheitsbereich oder im Altersheim arbeitet, der soll künftig gern halb-positiv da hin gehen. Exakt das sind nicht die einfachen Regelungen, von denen Gesundheitsminister Johannes Rauch bei Pressekonferenzen spricht. Das sind Regelungen, die kein Mensch versteht. Ein Zick-Zack-Kurs, den niemand mehr nachvollziehen kann. Regeln nach der Bauart: nach dem fünften Quarantänetag darf das Haus an ungeraden Tagen mit halbseitig getragener Maske (oder mit herausschauender Nase) verlassen werden. Wenn, ja wenn der ct-Wert größer gleich 27,5 ist. 

Dass es für die Wiedereinführung der Maskenpflicht nun tagelanges juristisches Herumdoktern an Erlässen braucht, wo es ja “überhaupt nicht absehbar” war, dass diese Situation eintreten könnte, rundet das Gesamtbild ab.

Ich verstehe, dass die Menschen, die noch die Kraft dazu aufbringen, wütend sind. Die einen, weil die Regierung nachweislich die Pandemie auf Kosten von Menschenleben, von Long-Covid-Patienten und ja, auch auf Kosten des medizinischen Personals durchrauschen lässt, und nicht den Mut hat, das auch offen auszusprechen. Und die anderen sind wütend, weil sie jetzt wieder Masken aufsetzen müssen, nachdem sie sich zwei Wochen in “Freiheit” wähnen durften. +

Der Preis für diese zwei Wochen ist hoch. Das Elend verlängert, weiteres Vertrauen verspielt. Während bei der Verkündung der Öffnungsschritte vor einem Monat der damalige Gesundheitsminister noch von Kanzler Nehammer, Chief Medical Officer Reich und dem getarnten Gecko-General Striedinger flankiert wurde, stand Rauch am Freitagabend ziemlich allein da. Der Bundeskanzler ist am Westbalkan auf Truppenbesuch, ich verstehe allzugut, dass er mit der Pandemie nichts mehr zu tun haben möchte. Wir ja auch nicht.

Mindestens ebenso pandemiemüde, wie wir auch dieses Regierungsversagens überdrüssig sind, ist festzustellen: Österreichs Covid-Strategie ist keine Strategie:  Österreich öffnet, Österreich steigt, Österreich rudert zurück.

Am 16. Februar meinte die Regierung, dass es sich ausgeht. Einen Monat später ist klar: Es ist sich nicht ausgegangen. Wieder einmal nicht. So setzen wir die Masken auf und hoffen, dass es Sommer werden möge und Rauch sein Versprechen wahr macht und tatsächlich schon an den Herbst denkt.