Wolfgang Burtscher

Kommentar

Wolfgang Burtscher

I wü wieder ham

Politik / 21.03.2022 • 07:30 Uhr

„Ich höre Euch, ich verstehe das.“ So zerknirscht hat gerade Johannes Rauch, ein eifriger Twitterer, die Reaktionen auf seinen Zick-Zack-Kurs bei Corona kommentiert und selbst die Meinung der Kritiker an ihm zusammengefasst: „Zynisch, verantwortungslos und ohne Empathie.“ Rauch ist schneller als erwartet auf dem Boden der Realität angelangt und muss erkennen: Wien ist nicht gleich Vorarlberg. Hier hat er selbst die Kritik von Parteifreunden oder Grün-Sympathisanten beim Radweg im Bregenzerwald oder der Südumfahrung Feldkirch locker weggesteckt. Aber nach zwei Wochen Minister schaut er ganz schön zerrupft aus. Vor Tagen hat er noch getwittert: „Warum Minister sein Freude macht.“ Er hatte gerade Flüchtlingen aus der Ukraine den Zugang zur Sozialversicherung verschafft und ausreichend kostenlose Tests für alle in Österreich lebenden Menschen verkündet und war dafür in einem Wiener Boulevardblatt gelobt worden. Auch Politiker brauchen offenbar Trost, wenn sie zerzaust werden, und sei es nur von einer Gratiszeitung, die man zwischen drei U-Bahnstationen liest. Trost anderer Art hatte der Karikaturist der “Krone” am Sonntag parat und Rauch als einen von Corona-Aktenordnern und FFP-2-Masken umzingelten Archivar gezeichnet, dessen Kennmelodie am Handy lautet: „I wü wieder ham“.

„Entscheidungen sollten evidenzbasiert, transparent und auf der Basis von Fachleuten erfolgen.“

Rauch hatte am Beginn mit klaren Worten beeindruckt. Entscheidungen sollten evidenzbasiert, transparent und auf der Basis von Fachleuten erfolgen. Seine Entscheidungen waren nichts davon. Eva Schernhammer, Mitglied der Gecko- und der Impfpflichtkommission: „Es ist angesichts der enormen Infektionszahlen aus medizinisch-wissenschaftlicher Sicht sinnvoll, wieder FFP2-Masken großflächig zu empfehlen, wenn nicht sogar zu verlangen.“ Gerade das war, unter Berufung auf angebliche Experten-Meinung, gerade abgeschafft worden. Die Ärztekammer hat noch deutlicher reagiert. Die Änderung der Covid-Strategie gefährde akut das Gesundheitssystem. Normalstationen und Personal seien überlastet, Risikogruppen stark gefährdet. Und Kammer-Vizepräsident Harald Mayer: „Wenn man offensichtlich eine mögliche Herdenimmunität erreichen und das Virus durchrauschen lassen will, dann sollte man das auch genauso kommunizieren und dieses Ziel nicht durch ein neues Verordnungschaos verpacken, das niemand versteht.“

Nun muss man Rauch zugutehalten, dass sich bei Corona längst nicht alle Experten einig sind und dass er in puncto Maskenpflicht (die einfachste Maßnahme gegen Corona, die die meisten verstehen) lernfähig war und die Reißleine gezogen hat. Sein deutscher Kollege Lauterbach ist gerade im Begriff, die Regeln zu lockern, aber nicht so weitreichend wie bei uns, unter scharfer Kritik der Länder. Ein starker Gegensatz zu unseren besonders lockerungsfreudigen Landeshauptleuten. Vielleicht wäre Rauch gut beraten, sich so stark wie Lauterbach für die Impfung einzusetzen. Der sagt gerade: „Ungeimpfte tragen die Verantwortung, dass wir nicht weiterkommen. Das ganze Land wird in Geiselhaft dieser Menschen sein. Das können wir uns nicht mehr leisten. Das ist das erste Jahr, in dem wir die Pandemie mit der Impfpflicht beenden können“. Mit der Impfpflicht. Aber so etwas trauen sich eine österreichische Regierung und ein Minister hierzulande ja nicht zu sagen, aus lauter Angst vor Querdenkern, Corona-Schwurblern, den Tiraden eines Kickl und wohl der Landeshauptleute, die einst die Impfpflicht der Regierung aufs Aug gedrückt haben. Ohne durchgesetzte Impfpflicht, zumindest für bestimmte Gruppen, braucht Rauch wenigstens rasch eine Kampagne, die die zu erwartende nächste Welle im Herbst bremst. Ohne so nette Floskeln wie „Jasmin geht nicht hin“, sondern mit deutlichen Worten a la Lauterbach. Denn derzeit tendiert die Zahl der Impfungen gegen Null. Rauch hat schon viele Vorschusslorbeeren verspielt. Kratzt er noch die Kurve?

Wolfgang Burtscher, Journalist und ehemaliger ORF-Landes­direktor, lebt in Feldkirch.