Abkehr von der Neutralität

NATO-Beitritt in Finnland und Schweden rückt näher. Nicht so in Österreich.
schwarzach Fünf Staaten der Europäischen Union sind neutral. Neben Österreich sind das Malta, Irland, Schweden und Finnland. Doch bald könnte sich das ändern. In Finnland rückt die Entscheidung über einen Beitritt zur Militärallianz NATO immer näher. Ähnliche Überlegungen werden in Schweden gewälzt. Österreich will hingegen an seiner Neutralität festhalten. Zumindest verfassungsrechtlich wäre eine Abkehr aber kein großes Hindernis, sagt Rechtsexperte Peter Bußjäger. Der Völkerrechtler Ralph Janik verweist auf eine gewisse Vorlaufzeit, die es brauche.
Nachbarstaat Russlands
„Man muss sich in die finnischen Staatsbürger hineinversetzen“, sagte der Oberst und Ukraine-Experte Berthold Sandtner kürzlich bei Vorarlberg LIVE. Das Land sei Nachbarstaat Russlands, habe in seiner Geschichte entsprechende Erfahrungen gemacht. „Es hat sich gezeigt, dass Russland ein unberechenbarer Nachbar ist.“ Die öffentliche Diskussion in Finnland, aber auch in Schweden, sei aus diesem Gesichtspunkt heraus verständlich. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) bezeichnete den NATO-Kurs der beiden Länder als Paradigmenwechsel. Es handle sich erneut um eine Folge des Krieges, die Kremlchef Wladimir Putin falsch eingeschätzt habe. An der österreichischen Neutralität ändere sich aber nichts. „Die ist immerwährend.“
Der Nationalrat hatte das Neutralitätsgesetz am 26. Oktober 1955 beschlossen. Die Verpflichtung, eine Neutralität nach Schweizer Vorbild zu wählen, war Bedingung der Sowjetunion für die Zustimmung zum Staatsvertrag. Dieser wurde bereits am 15. Mai 1955 unterzeichnet.
„Rein rechtlich wäre ein Ende der Neutralität nicht sehr schwierig zu erreichen“, erläutert Verfassungsrechtler Bußjäger. Dafür müsste das Bundesverfassungsgesetz zur Neutralität Österreichs abgeschafft werden, innerstaatlich gesehen gebe es dann keine Verpflichtung mehr. Wichtig sei die Unterscheidung zwischen dem verfassungsrechtlichen und völkerrechtlichem Aspekt. Zu Letzterem sagt Janik: „Österreich müsste einseitig erklären, dass die Neutralität beendet wird. Gleichzeitig bräuchte es eine gewisse Vorlaufzeit.“ Es wären wohl einige Monate nötig, damit sich die anderen Parteien darauf einstellen könnten. „Der einzige Staat, der damit ein Problem hätte, wäre wohl Russland und ihm nahestehende Länder.“
Schon deutlich eingeschränkt
Mit der EU-Mitgliedschaft sei die Neutralität schon weitgehend eingeschränkt worden, erläutert Bußjäger, und führt in diesem Zusammenhang die Beistandspflicht nach dem Unionsrecht an. „Allerdings sieht der EU-Vertrag die Möglichkeit vor, sich auf die irische Klausel zu berufen.“ Trotz Beistandsverpflichtung soll demnach der besondere Charakter der Sicherheits- und Verteidigungspolitik bündnisfreier Mitgliedsländer unberührt bleiben. Würden nun aber zum Beispiel Litauen oder Estland angegriffen, stünde auch Österreich politisch unter Druck, zu handeln, sagt Bußjäger. „Die Frage ist, in welcher Form Unterstützung gewährt wird.“ Auch Völkerrechtler Janik verweist auf die veränderte Neutralität. „Wir sind in den Wertekontext der EU eingebunden und tragen Sanktionen mit. Sie ist auf den militärischen Kern reduziert.“ VN-RAM