Lückenlos unter der Burka

Doch die Emanzipation der Afghaninnen ist nicht mehr umkehrbar.
Kabul In Afghanistan ist zum Wochenanfang der noch einzige Freiraum unverhüllter Frauen bei den letzten privaten TV-Kanälen gefallen: Auch ihre Sprecherinnen müssen unter die Burka. Entgegen anfänglichen Versprechen hat das Taliban-Regime so alle Afghaninnen lückenlos zugeschleiert. Für die Ultramuslime von Kabul sind Frauen eben nichts als „Haustiere“, wie das Monisa Mobariz formuliert, in Kabul eine der letzten weiblichen Aktivistinnen, die so etwa noch laut zu sagen wagen. Kollegen haben mutige Solidarität bewiesen: Sie zogen ebenfalls eine Burka über und zeigten sich so am Bildschirm. Im Staatsfernsehen war nicht einmal diese Art Protest möglich. Die Taliban bereiten jetzt eine Schließung der Privatsender vor. Die Ganz-Körper-Burkas mit ihrem Stoffgitter vor dem Gesicht bieten von außen einen bunten, ja farbenprächtigen Anblick. Drinnen unter der Burka ist es jedoch für jede Afghanin gleich dunkel und stickig. Wie auch im ganzen Land obskurante Finsternis und eine Gewaltherrschaft hereingebrochen sind, die niemand mehr frei atmen lassen. Taliban-Herrscher Hibatullah Achundsada geht es mit seinem Burka-Erlass auch darum, angesichts der ausufernden Hungersnot die ausgemergelten weiblichen Körper zu verstecken. Der Nahrungsmangel wegen mehrfacher Dürre, aber auch der Unfähigkeit des doktrinären Regimes, ordentlich zu wirtschaften, trifft allen Hilfslieferungen zum Trotz gerade Frauen und Kinder. Männer wissen sich in diesem übermaskulinen System auch von den knapp gewordenen Lebensmitteln die größten Bissen zu sichern.
Protestmärsche
Mitten in Kabul wagen einige Dutzend beherzte Frauen weiter Protestmärsche gegen ihre Unterdrückung. An der Spitze der tapferen Schar steht Saira Sama Alimyar, Mitbegründerin der bis zum Abzug von Amerikanern und NATO-Truppen einflussreichen „Miliz der mächtigen Frauen“. Von ihrer Macht ist wenig übrig geblieben, wie sich bei Niederschlagung der Kundgebungen durch schwer bewaffnete Taliban zeigt. Informationen aus Afghanistan deuten jedoch darauf hin, dass die Widerstandskraft der Frauen auch unter der Burka nicht gebrochen ist. So korrupt die kurzlebige Demokratie in Kabul von Washingtons Gnaden auch war: Den Frauen hat sie in Sachen familiärer und gesellschaftlicher Rechte, von Ausbildung, Bildung und Gesundheitsfürsorge echte Fortschritte gebracht. Das lässt sich jetzt nicht vergessen, die Taliban können das Rad der Frauenemanzipation nicht mehr zurückdrehen!