Die CO2-Steuer kommt später

Die Bepreisung von CO2 würde Tanken und Heizen zusätzlich verteuern. Die Rechnung geht jedoch nicht auf: Klimaschäden kommen teuer.
Wien Sie ist der Kern der ökosozialen Steuerreform und damit der grünen Vorhaben in dieser Legislaturperiode: die CO2-Steuer. Eigentlich hätte diese Bepreisung der Emissionen ab Juli mit 30 Euro pro Tonne starten sollen. Aufgrund der aktuellen Teuerungswelle scheint sich das Vorhaben nun zu verschieben.
Türkis-Grün soll sich zudem bei Verhandlungen zu weiteren Entlastungspaketen in der Zielgeraden befinden. Geplant ist laut Bericht in der Gratiszeitung “heute” auch, dass der Klimabonus, der aus dieser Abgabe finanziert wird und diese sozusagen ausgleichen soll, für alle von 100 auf 250 Euro angehoben wird – unabhängig vom Wohnort. Das Klimaschutzministerium wollte diese Punkte am Freitag weder bestätigen, noch dementieren: “Aktuell laufen unterschiedliche Gespräche auf Regierungsebene. Diese Gespräche sind noch nicht abgeschlossen.”
Nach Ansicht des wirtschaftsliberalen Think Tanks Agenda Austria sei eine Verschiebung der Steuer kein geeignetes Mittel, um die Inflation zu bekämpfen. Denn sie falle wenig ins Gewicht. „Pro Liter Treibstoff sind es nur ein paar Cent“, sagt Heike Lehner von Agenda Austria.
Das Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo hat berechnet, wie der Preisanstieg durch die CO2-Steuer konkret die Budgets der Verbraucherinnen und Verbraucher belasten würde. Die Bepreisung wird gestaffelt angehoben. Zu Beginn ist ein Anstieg von 7,7 Cent pro Liter Benzin und 8,8 Cent pro Liter Diesel zu erwarten. Für Erdgas werden 7,3 Cent mehr pro Kubikmeter fällig und beim Heizöl 9,7 Cent.
Abfederung durch den Staat umstritten
“Aus unserer Sicht ist es wichtig festzuhalten, dass die Inflation nicht Aufgabe des Staates ist. Es ist Aufgabe der Europäischen Zentralbank, die als einzige Institution nicht nur dafür verantwortlich ist, sondern auch breitflächig in der Lage ist, etwas zu tun”, so Lehner. Der Staat könne nur die Spitzen abfedern, also zum Beispiel für einkommensschwache Haushalte.
Joel Tölgyes vom gewerkschaftsnahmen Momentum Institut erkennt bei der der CO2-Bepreisung keine große Lenkungswirkung. Sehr wohl würde sie aber bei Menschen mit niedrigem Einkommen zu Mehrkosten führen, sagt er: “Wichtig wäre es, Sozialpolitik und Klimapolitik zusammenzudenken.” Vorstellbar wäre demnach, dass die CO2-Steuer automatisch in Kraft tritt, wenn der Treibstoffpreis unter eine bestimmte Grenze fällt. Auch so könnte man eine Signalwirkung erhalten, sagt Tölgyes und erinnert: “Es gebe im Verkehrsbereich auch viele andere Maßnahmen – es handelt sich ja um ein Problemkind bei den CO2-Emmissionen. Man könnte etwa über strengere Tempolimits sprechen.”
Hohe Kosten durch Autos
Denn während andere Sektoren ihre Treibhausgas-Emissionen in den vergangenen 30 Jahren reduziert haben – beispielsweise der Gebäudesektor um 38 Prozent – waren die klimaschädlichen Emissionen des Verkehrs selbst im Coronajahr 2020 trotz Lockdowns um 51 Prozent höher als im Jahr 1990. Um diese Problematik und deren Folgen dreht sich auch eine neue Studie des Verkehrsclub Österreich (VCÖ). Wie daraus hervorgeht, verursacht das Verkehrssystem hohe ökologische und soziale Kosten, und zwar 19 Milliarden Euro. Allein der Pkw-Verkehr sei für über 12,5 Milliarden Euro verantwortlich.
„Eine Verschiebung der CO2-Bepreisung wäre nicht nur aus ökologischer, sondern auch aus sozialer Sicht kontraproduktiv”, meint VCÖ-Experte Michael Schwendinger. Der hohe Erdölverbrauch des Verkehrs befeuert die Erderhitzung und jetzt auch die Teuerung, sagt er: 81 Prozent des importierten Erdöls fließen in den Verkehr und davon werden rund 95 Prozent im Kfz-Verkehr verbrannt.
160 Euro pro 1000 gefahrene Kilometer
Pro 1000 Kilometer, die mit dem Auto gefahren werden, entstehen im Schnitt 160 Euro an zusätzlichen Kosten, die nicht vom Verursacher, sondern von der Allgemeinheit bezahlt werden, heißt es in der VCÖ-Studie. Das sind beispielsweise Umweltschäden durch CO2 oder Bodenversiegelung oder Gesundheitsschäden durch Abgase, Lärm und Unfälle.
Die externen Kosten des Öffentlichen Verkehrs sind deutlich niedriger. Pro 1000 Kilometer sind es beim Bus 43 Euro und bei der Bahn 29 Euro. Das Verlagerungspotenzial vom Auto auf bewegungsaktive Mobilität ist groß. Jede zehnte Autofahrt ist in fußläufiger Distanz, vier von zehn Autofahrten sind kürzer als fünf Kilometer und damit in Radfahrdistanz.
Eine weitere VCÖ-Analyse zeigt, dass die zehn Prozent der Haushalte mit dem höchsten Einkommen sechsmal so viel Sprit wie die zehn Prozent der Haushalte mit dem niedrigsten Einkommen tanken. “Vom heutigen Gießkannenprinzip der fehlenden verursachergerechten CO2-Bepreisung profitieren Wohlhabende daher am stärksten”, sagt Schwendinger. Magdalena Raos, Julia Schilly