VN-Sommergespräch: “Die Menschen sind bereit, umzusteigen”

In der Diskussion mit den Grünen-Chefs und dem ÖAMTC-Direktor geht es um das Auto und seine Alternativen.
schwarzach Bei Verkehr und Mobilität driften die Positionen schon einmal weit auseinander: Den einen geht der Öffi-Ausbau nicht schnell genug. Die anderen denken nicht daran, auf ihr Auto zu verzichten. Im VN-Sommergespräch diskutiert die grüne Doppelspitze, bestehend aus Daniel Zadra und Eva Hammerer, mit dem Vorarlberger ÖAMTC-Direktor Michael Kubesch über Alternativen zum Pkw, Schwierigkeiten für Pendler und Tempo 100 auf der Autobahn.
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Herr Zadra, die Grünen sind in der Opposition. Wie kommen Sie mit dem Rollenwechsel zurecht?
zadra Man hat schnell gesehen, was Schwarz-Blau liefert. Es wird auf dem Rücken der Menschen gekürzt, Daumenschrauben werden angezogen, die 24-Stunden-Betreuung, die Betreuung für Kinder zurückgefahren. Es gab nicht viel Zeit, sich umzustellen. Aber wir haben ein hervorragendes Team mit vier Abgeordneten. Wir setzen alle Kraft darin, Alternativen aufzuzeigen und das Schlimmste zu verhindern.

Herr Kubesch, der ÖAMTC hat eine Pendlerstudie durchgeführt. 68 Prozent sagen: Obwohl der Weg zur Arbeit mit den Öffis als zumutbar gilt, nehmen sie das Auto. Warum?
kubesch Es hängt stark von der Situation ab, vom Wohnort, vom Arbeitsort. Wenn das Angebot an Alternativen steht, sind die Vorarlberger auch durchaus bereit zu wechseln.
Vermutlich ist es im Rheintal einfacher als im Montafon, dem Brandnertal oder dem Bregenzer Wald.
kubesch Ja, wir wissen, dass das Pendeln hauptsächlich ein Thema der ländlichen Region ist. Da ist das Angebot nicht immer so passend, dass man mit Bus, Bahn oder Fahrrad zur Arbeit kommt. Es geht darum, Alternativen zu schaffen und für die Zukunft gerüstet zu sein.
Die Grünen setzten in der Regierung auf den öffentlichen Verkehr. Trotzdem ist der Autofahreranteil immer noch hoch. Ist das Ende der Fahnenstange erreicht?
zadra Ich stimme voll zu, dass es darum geht, den Menschen Alternativen zu bieten, um frei entscheiden zu können. Immer mehr steigen auf aktive Mobilität um – Fahrrad, Bus oder Zug – weil es viele Vorteile bringt. In den letzten zehn Jahren unter Schwarz-Grün ist viel gelungen. Die Zahlen zeigen, dass die Menschen bereit sind, umzusteigen. Ich kritisiere, dass man jetzt die Stopptaste drückt und in alte Muster zurückfällt und Milliarden in den Straßenbau steckt.

Herr Kubesch, investieren in Öffis, in Radwege, Straßen. Kann man das gegeneinander ausspielen?
kubesch Es braucht sowohl als auch. Das Vorarlberger Verkehrskonzept ist mittlerweile einige Jahre alt, aber bietet gute Beispiele, wie man sowohl auf der Straßenseite, also Straßenverkehr, Auto und Bus, als auch in das Landesradwegenetz investiert hat. Wir haben einen der am besten ausgebauten Radwege im Rheintal bis in den Walgau.
Hat man in den letzten zehn Jahren etwas auf die Straßen vergessen?
kubesch Ja und nein. Es gibt Straßenzüge, die man wahrscheinlich ausbauen wird müssen. Wir kennen die Thematik des Staus, ein großes Thema, das immer weitergeschoben wird. Die Verbindung an das Schweizer Autobahnnetz schieben wir etwa vor uns her. Straßenbau hat viele Aspekte, darunter die Anrainer, die Natur. Eine Verbindung zu finden wird immer schwieriger.
Frau Hammerer, Sie kommen aus Hard. Da staut es sich oft. Was ist denn noch möglich, ohne dass man die Straßen ausbaut?
Hammerer Es kommt auf die gesamthafte Betrachtung an und auf einen Mix aus allem. Ich wohne in Hard, arbeite im Landhaus und fahre jeden Tag wunderbar am Stau vorbei, auf einem Fahrradweg. Da ist das Fahrrad die beste Wahl. Heute war für uns, von Hard aus, das Auto das beste Mittel, da die öffentliche Verkehrsanbindung nicht gut ist und es geregnet hat. In der Politik geht es darum, die Möglichkeite zu schaffen, dass die Menschen überhaupt die Wahl haben.

Wie geht es denn den Pendlerinnen und Pendlern in Vorarlberg finanziell? Autofahren ist teuer.
kubesch Die Erhöhung der Pendlerpauschale war aus meiner Sicht ein längst fälliger Schritt, da die Belastung in den letzten Jahren doch sehr hoch war. Benzinpreise sind mittlerweile nicht mehr ganz auf dem Niveau, auf dem sie schon waren, aber mit dem Durchschnitt 1,50 Euro pro Liter nach wie vor hoch.
Zadra Die Kosten sind hoch, gerade wenn man sich ein Auto im Vollbetrieb anschaut. Dann sind wir laut ÖAMTC bei 400 bis 500 Euro Gesamtkosten pro Monat. Man muss den Menschen ein Angebot machen, auf zumindest ein Auto zu verzichten. Wenn eine Familie nur ein Auto hat, dann verzichtet sie schon einmal auf 400 bis 500 monatliche Ausgaben. Zur Pendlerpauschale: Ich bin der Meinung, dass man den Menschen unter die Arme greifen muss. Mir wäre es aber lieber gewesen, ein Mobilitätsguthaben zu schaffen, wie es zahlreiche Unternehmen in Vorarlberg schon haben, um den Menschen freie Wahl zu lassen.
Hammerer Das öffentliche Verkehrsmittel wäre das günstigere. Aber natürlich, wenn es kein Angebot gibt, braucht man das Auto und auch eine Unterstützung. Gerade junge Menschen ohne Führerschein sind aber auf die öffentlichen Verkehrsmittel angewiesen, auch am Abend, wenn sie ausgehen. Der Ausbau ist enorm wichtig, ob für Pendler, junge Menschen oder auch für Ältere, die vielleicht nicht mehr so sicher Auto fahren. Daran werden wir nicht vorbeikommen, auch, um CO2 einzusparen.

Tempo 100 auf Autobahnen, wäre das ein Ziel?
hammerer Die Leute haben eine völlig falsche Vorstellung davon, wie viel schneller man mit 130 Kilometern pro Stunde ist. Zum Beispiel die Strecke Bregenz – Bludenz. Man hat das Gefühl, man ist eine halbe Stunde schneller, in Wirklichkeit sind es drei oder vier Minuten. Es ist wichtig für die Schadstoffsenkung, aber auch für die Senkung der Lärmemissionen. Und wenn wir uns Atemwegserkrankungen bei Kindern anschauen: Sie sinken drastisch, wenn nicht so viel Schadstoffe in der Luft sind.
Kubesch Dass wir aus dem Thema CO2 rausmüssen, ist unbestritten. Elektromobilität wäre sicher eine Möglichkeit. Temporeduktionsvorschriften sind immer zweischneidig. Ich bin d’accord, dass der Schadstoff-Ausstoß zurückgeht. Subjektiv ist es halt nicht attraktiv. Wo zurück reglementiert wird, gibt es den Beigeschmack, dass ich eingeschränkt werde.
Zadra Auf der A14 Rheintal-Autobahn haben wir ein sehr hohes Verkehrsaufkommen während des Tages. Da wäre eine situative Temporeduktion möglich: Wenn viel los ist, könnte man auf Teilabschnitten auf 80 senken, damit es zu keinen Staubildungen kommt. Wir kennen das bei Anreisetagen, dass es wirklich gefährliche Situationen gibt. Wir brauchen endlich eine situative Tempobeeinflussungsanlage. Wir warten schon viel zu lange.