Hofübergabe
Günther Platter benutzte ein bekanntes Drehbuch bei seinem Rücktritt. Der Aufzählung vieler Erfolge trotz schwerer Zeiten folgte eine persönliche Betroffenheit durch Anfeindungen und Drohungen bis hin zur Familie. Es ist aber vor allem der Zeitpunkt, der verwundert. Kurz vor einer Landtagswahl noch schnell den Spitzenkandidaten zu wechseln und gleichzeitig die Parole „Sicherheit und Stabilität“ auszugeben, passt nicht zusammen. So wie die Übergabe an den 59-jährigen Toni Mattle nicht wie ein Generationenwechsel wirkt.
Es ist klar, dass der Tiroler Landeshauptmann nicht alle Gründe für seinen Entschluss aufzählt: die drohende krachende Wahlniederlage, die zu verantwortenden Misserfolge („Alles richtig gemacht“ in Ischgl?), das Sezieren der Bundespartei im U-Ausschuss, die fragwürdige Finanzierung mancher (auch Tiroler?) ÖVP-Teilorganisationen, die Wahl des streitbaren Gebi Mair als (zukünftiges?) grünes Koalitionsgegenüber.
Platter erspart sich mit seinem Rücktritt viele schwere Momente und Entscheidungen. Von langer Hand geplant war er allerdings nicht. Dafür bietet er seinem Nachfolger zu wenig Raum für Profilierung. Keine Jahre im Amt, wie sie etwa Hermann Schützenhöfer seinem Kronprinzen Christopher Drexler schenkt. Keine wirklich geeinte Partei hinter der einsamen und überraschend kommunizierten Entscheidung Platters, um andere Interessenten wie Wirtschaftskammer-Chef Christoph Walser auszubooten.
Jedenfalls haben die beiden Tiroler Koalitionspartner für eine spannende Ausgangslage gesorgt. Sowohl die grüne Landeshauptmann-Vize Ingrid Felipe als auch der Landeshauptmann selbst weichen nicht bis zur Wahl und erschweren so vor allem ihren Parteien den Erfolg. Die ÖVP erreichte 2018 noch mehr Stimmen als SPÖ, FPÖ und Grüne gemeinsam. Bereits vor Monaten geriet in Umfragen (trotz der damalige Beteuerung Platters, wieder anzutreten) die 30-Prozent-Marke in Gefahr. Bei den Grünen muss sich erst zeigen, ob die interne Kampfabstimmung für die Parteispitze zu keinen weiteren Reibungsverlusten führt.
Für die Tiroler Opposition beste Voraussetzungen, die Karten neu zu mischen. Sollte die FPÖ ihre 16 Prozent ebenfalls nicht mehr erreichen, wäre sogar eine Mehrheit gegen Schwarz-Blau denkbar. Ausgerechnet in Tirol könnte dann eine Dirndl-Koalition zwischen SPÖ, Grüne, Liste Fritz und Neos das Ende der politischen Verhältnisse seit 1945 bedeuten. Doch die Sterne hängen hoch und angekündigte Revolutionen finden selten statt. Dafür braucht es mehr Verdruss über die Vergangenheit oder weniger Angst vor der Zukunft.
Etwas fällt bei den Hofübergaben in der Steiermark und Tirol noch auf: Politik scheint für Männer trotz der widrigen Umstände noch attraktiv genug zu sein. Frauen spielten in beiden Fällen nicht einmal Nebenrollen.
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