Fata Morgana
Laut einem bekannt gewordenen sogenannten „Rohbericht“ des Rechnungshofes war die Zerschlagung der Gebietskrankenkassen durch die türkis-blaue Regierung wirklich nicht umsonst. Im Gegenteil: Sie kostete viel Geld. Die damals propagierte „Patientenmilliarde“ als Einsparung hat sich als eine Fata Morgana erwiesen, eher wird es eine Patientenmilliarde an Ausgaben.
„Die Vase, die auf den Boden geworfen wurde, kann auch nicht mehr repariert werden.“
Umsonst hatten viele Kritikerinnen und Kritiker die Politik gewarnt, dass die Einsparungsziele unrealistisch sein würden. Umsonst waren jegliche Hoffnungen, dass der Verfassungsgerichtshof die kostspielige Zentralisierung stoppen würde, die dem Effizienzprinzip der Bundesverfassung widersprach. Der Gerichtshof sah in seinem Erkenntnis aus dem Jahr 2018 keinen Grund, dass der Gesetzgeber mit der Zusammenlegung der Gebietskrankenkassen zur Österreichischen Gesundheitskasse angesichts der erwarteten Einsparungen und Effizienzsteigerungen seinen rechtspolitischen Entscheidungsspielraum überschritten hätte, wie er schrieb.
Und jetzt, nachdem sich Einsparungen und Effizienzsteigerungen offenbar in Luft aufgelöst haben? Wird die Zerschlagung der Gebietskrankenkassen rückgängig gemacht?
Natürlich nicht. Die Vase, die auf den Boden geworfen wurde, kann auch nicht mehr repariert werden. Die bisherigen Wortmeldungen zeigen vielmehr, wohin die Reise geht: So wird beispielsweise beklagt, dass die Leistungen der Gesundheitskasse noch immer nicht österreichweit vereinheitlicht sind. Unverbesserliche Zentralisten wie etwa ein Neos-Abgeordneter versteigen sich sogar zur hämischen Bemerkung, die verlorenen Rücklagen der Vorarlberger Gebietskrankenkasse seien ohnehin nicht so hoch gewesen, weil in den letzten Jahren kaum mehr welche gebildet worden wären. Nun, die Gebietskrankenkasse hätte jedenfalls unklug gehandelt, wenn sie noch mehr Rücklagen erzeugt hätte, nur um sie von Wien absaugen zu lassen.
Aber solche Leute verstehen sowieso nicht, dass es eigentlich um viel Wichtigeres als Geld geht: Die früheren Gebietskrankenkassen wurden als nunmehrige Zweigstellen der Gesundheitskasse zu Filialen ohne echte Entscheidungskompetenzen degradiert. Sie müssen auch in unbedeutenden Angelegenheiten in Wien nachfragen. Ein derartiger Zustand ist nicht nur bürokratisch und teuer, sondern beraubt die regionale Gesundheitspolitik ihrer Spielräume.
Das kümmert die Zentralisten selbstverständlich nicht. Für sie ist die Reform nur deshalb gescheitert, weil sie nicht weit genug gegangen ist und noch nicht dazu geführt hat, dass in den Ländern das Denken vollständig der Zentrale überlassen wurde.
Peter Bußjäger ist Direktor des Instituts für Föderalismus und Universitätsprofessor in Innsbruck.
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