Getreideschiffe machen sich bereit

Export aus Ukraine soll in Kürze starten. Wechselseitige Vorwürfe nach Zerstörung von Gefangenenlager.
odessa Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat bei einem Besuch der Hafenstadt Odessa den baldigen Start der Getreideexporte per Schiff übers Schwarze Meer angekündigt. „Ich denke, dass es heute oder morgen beginnt“, sagte der 44-Jährige am Freitag in einer Videobotschaft. Es werde das erste Getreideschiff seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine im Februar sein. „Das Wichtigste für uns ist, dass der Hafen und die Menschen arbeiten“, sagte der Staatschef. In dem Video wurde das Schiff „Polarnet“ unter türkischer Flagge beim Beladen im Hafen Tschornomorsk bei Odessa gezeigt. Das Getreide sei von einer ukrainischen Firma. Das Infrastrukturministerium warte nun auf ein Signal von den Vereinten Nationen und der Türkei für den Start.
Einer der größten Exporteure
Nach Angaben des stellvertretenden Chefs der Präsidialverwaltung, Kyrylo Tymoschenko, werden derzeit insgesamt 16 Schiffe in den Häfen von Odessa mit Getreide beladen. Die Gesamtzuladung liege bei 580.000 Tonnen. „In Kürze werden sie in ihre Bestimmungshäfen ablegen“, sagte Tymoschenko. Die Ukraine ist einer der weltgrößten Exporteure von Getreide. Nach Beginn des Kriegs hatte Russland die ukrainischen Seehäfen jedoch blockiert. Die Ukraine verminte ihre Küste zudem zum Schutz vor russischen Landungseinsätzen. Wegen ausbleibender Getreidelieferungen stiegen die Weltmarktpreise; die UN befürchten zunehmend Hungerkrisen. Nach Angaben aus Kiew steckten wegen der russischen Seeblockade zuletzt mehr als 20 Millionen Tonnen der letztjährigen Ernte fest. Russland hat bestritten, für den Preisanstieg bei Lebensmitteln verantwortlich zu sein und schob die Schuld dem Westen zu.
Unter Vermittlung der UN und der Türkei hatten die beiden Kriegsparteien in Istanbul vor einer Woche Abkommen zur Freigabe der Getreideexporte unterzeichnet. Ein gemeinsames Koordinierungszentrum der Vereinten Nationen, der Türkei, der Ukraine und Russlands in Istanbul soll für die sichere Abwicklung des Schiffsverkehrs sorgen. Russland hat das Ende seiner Seeblockade allerdings an die Bedingung geknüpft, dass sich die UN gleichzeitig für eine Lockerung der westlichen Sanktionen einsetzen sollen, die die Ausfuhren russischen Getreides und russischer Düngemittel behindern. Zwar gibt es kein Exportverbot für diese Güter, doch die Strahlkraft der westlichen Sanktionen behinderte zuletzt den gesamten Außenhandel des Landes.
Angriff auf Gefängnis
Am Freitag wurde außerdem bekannt, dass Dutzende ukrainische Gefangene bei einem Raketenangriff auf ein Gefängnis unter Kontrolle der prorussischen Separatisten in der Ostukraine getötet worden sein sollen. Die russische und die ukrainische Seite machten sich gegenseitig für den Tod der Gefangenen in dem Ort Oleniwka bei Donezk verantwortlich. Bis zum Nachmittag stieg nach Angaben der Separatisten die Zahl der Toten auf 53, weitere 75 Menschen seien verletzt worden. Die Berichte über die toten ukrainischen Kriegsgefangenen in Oleniwka waren kaum zu verifizieren.