Kiew: Mehr als 3000 Quadratkilometer zurückerobert

Die ukrainischen Streitkräfte haben nach Angaben der Heeresleitung seit Anfang September mehr als 3000 Quadratkilometer russisch besetzten Gebiets zurückerobert.
Geländegewinne habe es um die zweitgrößte ukrainische Stadt Charkiw im Norden gegeben, wo die Streitkräfte bis zu 50 Kilometer an die russische Grenze herangerückt seien, teilte der Oberbefehlshaber der ukrainischen Streitkräfte, Walerij Saluschnyj, am Sonntag mit.
Auch im Süden und Osten von Charkiw kämen die ukrainischen Streitkräfte voran, hieß es. Zuvor hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erklärt, ukrainische Truppen hätten in den vergangenen Tagen ein Gebiet mit einer Fläche von rund 2000 Quadratkilometern von Russland zurückerobert. Russland hatte infolge der ukrainischen Offensive zunächst die Verlegung von Kräften in die Region Charkiw angekündigt, am Samstag dann aber über einen Truppenabzug in die weiter südlich gelegene Region Donezk gesprochen.
Laut US-Experten haben ukrainische Soldaten innerhalb von fünf Tagen mehr Gelände zurückgewonnen als die russischen Truppen insgesamt seit April besetzt haben. “Die Befreiung von Isjum wird der größte militärische Erfolg der Ukraine seit dem Sieg in der Schlacht vor Kiew im März”, urteilte das Institute for the Study of the War (ISW) in seiner Lageanalyse am Sonntag. Damit sei der von Russland geplante Vormarsch auf den Donbass von Norden her gescheitert, meinten die Experten.
Der Thinktank in Washington veröffentlicht seit Kriegsbeginn regelmäßig Analysen zum Kampfgeschehen in der Ukraine. Der Sonntag ist der 200. Tag des russischen Angriffskriegs.
Derweil haben nach dem schnellen Vormarsch des ukrainischen Militärs im Nordosten des Landes nach Angaben aus Kiew nicht alle russischen Truppen den Rückzug geschafft. “Im Raum Charkiw sind feindliche Einheiten aus dem Bestand der 3. motorisierten Schützendivision der 20. Armee von den Versorgungswegen abschnitten und in Panik”, teilte der ukrainische Generalstab in seinem Lagebericht am Sonntag mit. Zudem seien die Verluste mit 400 Toten an einem Tag auf russischer Seite hoch gewesen. Die Angaben sind nicht unabhängig zu überprüfen.
Details zu Stellungen und dem Ausmaß der jüngsten Rückeroberungen gab der Generalstab nicht bekannt. Russische Truppen halten nach früheren Angaben etwa 125.000 Quadratkilometer in der Ukraine besetzt. Das ist ein Fünftel des Staatsgebietes einschließlich der Halbinsel Krim.
Auch nach Einschätzung des britischen Militärgeheimdienstes haben die ukrainischen Truppen in den vergangenen 24 Stunden bedeutende Fortschritte bei ihrer Gegenoffensive in der Region Charkiw im Osten gemacht. Das russische Militär habe wahrscheinlich Einheiten von dort abgezogen, heißt es im jüngsten Geheimdienstbericht. Allerdings hielten Kämpfe rings um die Städte Kupjansk und Isjum an.
Das britische Verteidigungsministerium veröffentlicht seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine Ende Februar unter Berufung auf Geheimdienstinformationen täglich Informationen zum Kriegsverlauf. Damit will die britische Regierung sowohl der russischen Darstellung entgegentreten als auch Verbündete bei der Stange halten. Moskau wirft London eine gezielte Desinformationskampagne vor.
Die ukrainische Armee setzte unterdessen nach Angaben aus Kiew ihre Rückeroberung russisch besetzter Gebiet im Osten der Ukraine fort. “Die Befreiung von Ortschaften in den Distrikten Kupjansk und Isjum ist im Gang”, schrieben die ukrainischen Streitkräfte in einem Lagebericht am Sonntag. Mit einer massiven Gegenoffensive war es ihnen zuletzt gelungen, mindestens 30 Ortschaften in der ostukrainischen Region Charkiw zurückzuerobern.