Geplante Forschung über Verfassungsgericht durch Verfassungsrichter wirft Fragen auf

Politik / 21.02.2023 • 16:00 Uhr / 7 Minuten Lesezeit
Der Verfassungsgerichtshof wird Thema im Verfassungsausschuss. <span class="copyright">APA/Georg Hochmuth</span>
Der Verfassungsgerichtshof wird Thema im Verfassungsausschuss. APA/Georg Hochmuth

Unter anderem soll die Forschung über die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes neu aufgestellt werden. Teile der Rechtswissenschaft schreien auf.

Wien Es ist ein unscheinbares Vorhaben, das am Mittwoch im Verfassungsausschuss des Nationalrats behandelt wird. Vier Parlamentsparteien – alle außer der FPÖ – planen ein Bundesgesetz über eine neu einzurichtende Stiftung namens “Forum Verfassung”. Dotiert werden soll die Stiftung vom Finanzminister – und zwar zunächst durch einen einmaligen Betrag von 710.000 Euro sowie später jährlichen Zuwendungen von mindestens 700.000 Euro.

Damit sollen etwa neben “bewusstseinsbildenden Aktivitäten in der Öffentlichkeit” und diversen Veranstaltungen zur Verfassung bzw. zum VfGH auch die “Durchführung und Förderung von wissenschaftlichen Arbeiten über die österreichische Bundesverfassung sowie über den Verfassungsgerichtshof und seine Rechtsprechung” gefördert und alle zwei Jahre ein mit 40.000 Euro dotierter Verfassungspreis vergeben werden.

Kritik vonseiten der Unis

Teile der Rechtswissenschaft üben im Rahmen des Begutachtungsverfahrens aber heftige Kritik an der geplanten Konstruktion der Stiftung. Der Vorstand soll nämlich aus drei Mitgliedern des VfGH bestehen, gewählt von allen Verfassungsrichtern und auf fünf Jahre durch die Verfassungsministerin ernannt. Und ebendieser Vorstand soll selbst für die Erfüllung des Stiftungszwecks sorgen – eben zum Beispiel für die Forschung über die (eigene) höchstgerichtliche Rechtsprechung.

“Die VfGH-Zweidrittelmehrheit hat über den Stiftungsvorstand die volle Kontrolle über die VfGH-Forschung mit mehreren Hunderttausend Euro jährlich. Dieses Modell könnte im Extremfall zu einer ‘Verfassungsgerichts-Hofforschung’ führen.”

Brigitta Zöchling-Jud, Dekanin der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien, in ihrer Stellungnahme

Etwa die juristische Fakultät der Universität Wien sieht hier einen möglichen Interessenkonflikt: Diese merkt etwa einleitend an, dass die Öffentlichkeitsarbeit eines Gerichts auch “Risiken für seine rechtsprechende Tätigkeit und sein Ansehen mit sich bringen kann”. Der Gesetzesvorschlag mache “die Forschung zur eigenen Rechtsprechung zur Aufgabe des VfGH” und lagere dessen Öffentlichkeitsarbeit an eine Stiftung aus. “Kurz zusammengefasst, ermöglicht es der Gesetzesentwurf dem VfGH, die Wahrnehmung und Würdigung der eigenen Rechtsprechung mit erheblichen Mitteln selbst zu steuern”, befindet die Dekanin Brigitta Zöchling-Jud.

Verwunderung in der Zivilgesellschaft

Auch Oliver Scheiber, Richter und einer der Proponenten des Rechtsstaat & Anti-Korruptionsvolksbegehrens, kritisiert die Konstruktion im VN-Gespräch: “Der Knackpunkt ist, dass die Stiftung in der Hand der Verfassungsrichter ist.” Prinzipiell sei es ein “guter Gedanke”, Informationsarbeit über die Verfassung und die Arbeit des Gerichts voranzutreiben, “aber in der Öffentlichkeitsarbeit des Verfassungsgerichtshofes solle es darum gehen, dass er seine eigene Rechtsprechung erläutert, nicht dass er sie kommentiert”. Mit 700.000 Euro jährlich, zur Verfügung gestellt vom Finanzministerium, bestehe außerdem Gefahr, die “klassische” Rechtswissenschaft zu untergraben: “Das ist relativ viel Geld, vor allem wenn man sich anschaut, wie die Forschungssituation bereits jetzt aufgestellt ist.”

Scheiber erwartet sich also eine Änderung des Gesetzesantrages, zum Beispiel mit einem höheren Budget für bereits bestehende (wissenschaftliche) Institutionen: “Der sauberste Weg wäre, die Verfassungsforschung in den universitären Töpfen zu erhöhen. Auch der Verfassungspreis müsste eigentlich von der Zivilgesellschaft vergeben werden.” Wenn das nämlich Verfassungsrichter in einer Stiftung, die von der Bundesregierung finanziell getragen wird, tun, entstehe schnell der Anschein eines Interessenkonflikts: “Es sind viele Unvereinbarkeiten, womit sich auch der Verfassungsgerichtshof selbst in ein schlechtes Licht rückt.”

“Die Gespräche laufen.”

Ob sich in der Sitzung des Verfassungsausschusses aber noch etwas am Gesetzentwurf ändern wird, bleibt offen. Die Verfassungssprecherin der Grünen, Agnes Sirkka Prammer, schreibt in einer Stellungnahme gegenüber den VN aber, dass sie prinzipiell hinter dem Konzept der Stiftung steht: “Sie hat in erster Linie den Zweck, einer breiten Öffentlichkeit die Tätigkeit und die Aufgaben des Verfassungsgerichtshofes niederschwellig zu vermitteln, die Entscheidungen des Höchstgerichts und deren Bedeutung für die Gesellschaft und die Menschen in ihrem Alltag zu erklären.”

Geplante Forschung über Verfassungsgericht durch Verfassungsrichter wirft Fragen auf
Agnes Sirkka Prammer ist Verfassungssprecherin der Grünen. Parlamentsdirektion/Ulrike Wieser

Der verfassungsrechtliche und rechtswissenschaftliche Diskurs solle aber “selbstverständlich” weiterhin dort geführt werden, “wo er hingehört” – etwa an den Universitäten. Auch eine finanzielle Absicherung direkt im Gesetz sei “demokratiepolitisch wichtig”, sagt Prammer, denn es sei Angelegenheit jeder Bundesregierung aufs Neue festzulegen, “wie viel Budget sie jeweils dem VfGH neben seiner eigentlichen Rechtsprechungstätigkeit und Verwaltung dafür zugesteht”. Ob angesichts der Kritik im Begutachtungsverfahren noch Änderungen am Gesetzestext vorgenommen werden, halten die Grünen offen, wie auch für die ÖVP. Auf mehrere Fragen zum Thema antwortet eine Sprecherin des Klubs nur knapp: “Die Gespräche laufen.”

Eigene Forschung „nie Absicht“

Eine Sprecherin des Verfassungsgerichtshofes selbst sieht die Befürchtung der Universität Wien als „unbegründet“ an, natürlich könne das Gesetz in diesem Punkt aber noch entschärft werden, erklärt sie in einer Stellungnahme gegenüber den VN: „Wenn es die (unbegründete) Sorge einzelner Universitätsangehörige nimmt, künftig ihre Forschungen in diesem Bereich unabhängig durchführen zu können, kann der Hinweis auf die ‚Durchführung’ von Forschung ohne weiteres entfallen.“ Eigene Forschung über die Rechtsprechung sei nie Intention gewesen. Dass, wie in den Erläuterungen zum Gesetzestext ausgeführt, am Verfassungsgerichtshof Teilzeitbeschäftigte in der Stiftung eine Nebenbeschäftigung ausüben sollen, lehnt der VfGH „schon aus Gründen der Unabhängigkeit des Gerichts“ demnach ab.

Außerdem verweist das Höchstgericht auf eine notwendige Institutionalisierung des bisher bestehenden Vereins „Forum Verfassung“, der sich unter anderem der Stärkung des Verfassungsbewusstseins verschrieben hatte im Rahmen einer Stiftung: Das sei auf Initiative von VfGH-Präsident Christoph Grabenwarter geschehen: „Das Kollegium des Gerichtshofes wurde im Herbst 2022 mit den Eckpunkten der Stiftung befasst, wobei der explizite Wunsch war, dass aus Gründen der Unabhängigkeit kein aktives Mitglied gemeinsam mit Vertretern politischer Parteien im Kuratorium der Stiftung sitzen soll.“ Diesem Wunsch wurde im Entwurf entsprochen.

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