Peter Bußjäger

Kommentar

Peter Bußjäger

Klagen statt kleben

Politik / 24.02.2023 • 09:00 Uhr / 3 Minuten Lesezeit

Einige Kinder und Jugendliche haben durch eine Rechtsanwältin eine sogenannte Klimaklage vor dem Verfassungsgerichtshof eingebracht. Juristisch bekämpfen sie das bestehende zahnlose Klimaschutzgesetz als verfassungswidrig, weil es in ihre durch die Verfassung gewährleisteten Kinderrechte eingreife.
Auf der Basis der bisherigen Rechtsprechung bestehen eher wenig Chancen, dass sich der VfGH überhaupt mit dem Antrag befasst.

„Rasch wirksame Gesetze können nur von den Parlamenten beschlossen werden und nicht von Gerichten.“

Studierende, die bei der Verfassungsrechtsprüfung auf die Idee kämen, bei diesem Sachverhalt einen sogenannten Individualantrag (das ist die juristisch korrekte Bezeichnung für die „Klimaklage“) an den VfGH zu richten, wären ordentlich auf dem Holzweg. Aber was weiß man heute schon sicher? Schließlich hat das deutsche Bundesverfassungsgericht vor zwei Jahren in einer aufsehenerregenden Entscheidung eine vergleichbare Klimaklage gutgeheißen. Das Urteil ist in der Öffentlichkeit teilweise begeistert aufgenommen worden, in der Fachwelt aber auch auf Widerspruch gestoßen. Nun gilt in Deutschland immerhin ein verschärftes Klimaschutzgesetz.

Bereits im Herbst 2020 haben portugiesische Kinder den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg mit einer „Klage“ gegen die Untätigkeit ihrer Regierung in Sachen Klimaschutz angerufen. Zur Überraschung vieler hat der Gerichtshof die Klage nicht von vornherein zurückgewiesen, sondern ihr sogar prioritäre Behandlung eingeräumt. Irgendwann im Verlauf dieses Frühjahrs, also gut zweieinhalb Jahre später, soll nun eine Verhandlung stattfinden. Das sagt nicht nur einiges darüber aus, was der Gerichtshof unter „prioritär“ versteht, sondern auch darüber, dass Gerichte nicht die richtigen Adressaten sind, gegen die Untätigkeit der Regierungen und Parlamente vorzugehen. Rasch wirksame Gesetze können nur von den Parlamenten beschlossen werden und nicht von Gerichten.

Etwas paradox ist es daher, wenn einige Politiker:innen in den sozialen Medien die Klimaklage als „stark“ preisen. Genau sie wären nämlich dafür zuständig, jene scharfen Gesetze zu beschließen, welche die jungen Menschen auch mit ihren Klebeaktionen einfordern. Diese Politiker:innen sollten sich nicht auf ihre Koalitionspartner hinausreden oder darauf, dass sie sich in der Opposition befinden, sondern handeln.

Peter Bußjäger ist Direktor des ­Instituts für Föderalismus und ­Universitätsprofessor in Innsbruck.

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