Der gebrandmarkte Ex-Präsident

Politik / 10.05.2023 • 22:45 Uhr
Gerichtszeichner hielten den Moment der Urteilsverkündung fest, inklusive lächelnder Klägerin.REUTERS, AP
Gerichtszeichner hielten den Moment der Urteilsverkündung fest, inklusive lächelnder Klägerin.REUTERS, AP

Trotz des denkwürdigen Urteils gegen ihn denkt Donald Trump nicht ans Aufhören.

Washington Ein ungläubiges Raunen geht durch den Saal im 26. Stock des Gerichtsgebäudes in Downtown Manhattan. Dort wedelt ein Justizangestellter mit einem Zettel der Jury, der so früh nicht erwartet wurde. Darauf geschrieben steht nur ein handschriftliches Wort: „Verdict“ – Urteil. Nicht einmal drei Stunden haben die neun Geschworenen in dem Fall gebraucht, um zu dem Schluss zu kommen, dass Donald Trump, der 45. Präsident der Vereinigten Staaten, eine Frau sexuell missbraucht und ihr so viel Leid zugefügt hat, dass er fünf Millionen Dollar Strafe zahlen soll.

Es ist ein komplexer Fall: Die Autorin E. Jean Carroll wirft Trump vor, er habe sie Mitte der 90er-Jahre in der Umkleidekabine eines New Yorker Nobelkaufhauses vergewaltigt. Trump streitet das seit jeher ab und warf Carroll wiederholt öffentlich vor, aus Gründen der Eigenvermarktung Lügengeschichten zu erfinden. Strafrechtlich sind die Vorwürfe verjährt, doch zivilrechtlich konnte die heute 79-Jährige gegen Trump vorgehen. Sie verklagte ihn wegen Körperverletzung und Verleumdung und verlangte eine Entschädigung. Und sie erreichte einen bedeutsamen Erfolg: Die Geschworenen wiesen zwar den Vergewaltigungsvorwurf ab, kamen aber zu der Einschätzung, dass Trump Carroll sexuell missbraucht und verleumdet hat.

Als sie am Ende das Gerichtsgebäude verlässt, lächelt Carroll. Die Anwältin an ihrer Seite, Roberta Kaplan, sagt im Vorbeigehen: „Wir sind sehr zufrieden.“ Dann steigen beide in einen dunklen SUV und fahren davon.

Keinerlei Einfluss auf Wahlkampf

Kurz darauf erscheint Trumps Anwalt Tacopina und kündigt an, Berufung gegen die Entscheidung einzulegen. Über seinen Mandanten sagt er: „Er ist stark.“ Tacopina spricht von einem inkonsistenten und „merkwürdigen Urteil“. Immerhin sei Trump „nicht als Vergewaltiger gebrandmarkt“, schiebt er nach. Das mag stimmen. Doch als „predator“ – der Begriff bedeutet wörtlich eigentlich Raubtier und wird in den USA häufig für Sexualstraftäter verwendet – ist Trump trotzdem gebrandmarkt.

Da es sich um ein Zivilverfahren handelt, ging es von Anfang an nicht um eine Haftstrafe, sondern um eine finanzielle Entschädigung. Rein rechtlich hat die Entscheidung damit keinerlei Einfluss auf den Wahlkampf. Und politisch? Während es in Österreich unvorstellbar wäre, dass ein Politiker, der vor Gericht für sexuellen Missbrauch haftbar gemacht wird, ins Kanzleramt vorrückt, scheint das in den USA keinesfalls ausgeschlossen. Trumps Sicht auf Frauen ist spätestens seit 2016 bekannt. Dass sich an seiner Haltung nicht das Geringste geändert hat, hat er unmissverständlich klargemacht.

Der Fall rund um den ehemaligen Präsidenten zog Aufmerksamkeit auf sich.
Der Fall rund um den ehemaligen Präsidenten zog Aufmerksamkeit auf sich.