Der zerplatzte Traum
vom Hüsle
Wir glauben es dank „Schaffa, schaffa, Hüsle baua” manchmal zwar selbst, aber das Streben nach einem Einfamilienhaus ist absolut kein Vorarlberger Phänomen gewesen. Ausgehend von amerikanischen Vorstädten mit ‘suburban single family homes’ in den 1960er-Jahren ist diese Sehnsucht rasch nach Europa geschwappt.
Im Vorarlberger „Hüsle” der 70er-Jahre war klar: man würde zwar bis zur Pension den Bauspar-Kredit abstottern müssen, aber mit tüchtiger Arbeit und dem dazugehörigen Lohn geht sich das aus.
Abstriche wurden von nachfolgenden Generationen längst gemacht, statt des Einfamilienhauses die Eigentumswohnung.
„Das Preisniveau in Vorarlberg hat es für junge Menschen nahezu unmöglich gemacht, Eigentum zu schaffen.“
Doch seit vergangenem Jahr ist auch das endgültig vorbei. Ein Grundstück, das im Rheintal jedenfalls 1000 Euro pro Quadratmeter kostet, 700 Quadratmeter wären doch toll, also 700.000 Euro, sofern überhaupt etwas zu kaufen ist. Noch einmal so viel für den Hausbau. Und 20 Prozent davon als Eigenmittel auf der hohen Kante? Ständig steigende Zinsen? Die hartnäckige Inflation? Eine Rechnung, die jungen Menschen jede Fantasie nimmt.
Die gemeinnützigen Wohnbauträger verfügen überraschenderweise über ein komfortables Reservoir an Grundstücken, aber sie bauen eben nicht. Zu teuer, zu ungewiss derzeit. Dabei wäre es essenziell, dass gerade jetzt in der sich entfaltenden Immobilien-Krise sozialer Wohnbau vorangetrieben wird. Das Preisniveau in Vorarlberg, verschärft durch die Folgen des Ukraine-Kriegs, hat es für junge Menschen nahezu unmöglich gemacht, Eigentum zu schaffen.
Der Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner und sein Tiroler Amtskollege Anton Mattle haben die „Westachse” politisch aufleben lassen, mit genau jenem Thema: leistbares Wohnen. Der Dritte im Westachsen-Bunde fehlte: Der Salzburger Amtskollege Wilfried Haslauer war es, der wegen des verpatzten Wohnbauthemas der KPÖ in der Stadt Salzburg beispielsweise bei der Landtagswahl über 20 Prozent der Stimmen ermöglicht hat.
In Vorarlberg hat Markus Wallner genügend Zeit bis zur Landtagswahl in 14 Monaten, nun laufend Akzente beim leistbaren Wohnen zu setzen. Ein Thema, das vielen jungen Menschen unter den Nägeln brennt, landesweit. Ein Thema, das größtenteils in Vorarlberg gelöst werden kann. Und ein Thema, das die ÖVP von der SPÖ übernehmen kann, denn die wird noch einige Zeit brauchen, bis sie sich neu sortiert hat, auch im Land. Der neue Vorsitzende Mario Leiter wird aller Voraussicht nach kommende Woche beschlossen. Aller Voraussicht nach nur deshalb, weil man ja nie weiß, ob bei der SPÖ auch in Vorarlberg Excel bei der Abstimmung zum Einsatz kommen wird. Bis er ins Amt findet, wird es Herbst sein.
Die ÖVP wird eine „Leistbares Wohnen”-Initiative vom Stapel lassen, das zeichnet sich deutlich ab. Eine gute Entwicklung. Keine adäquate Wohnung, keine Chance, sich etwas zu erarbeiten, signalisiert jungen Paaren “no future” in Vorarlberg. Das wünscht sich niemand. Deshalb ist Wohnen ein absolut zentrales Thema für die Entwicklung des Bundeslandes, mit dem die ÖVP die Menschen zurückgewinnen kann. Ein zentrales Thema, das die bevorstehenden Wahlen im Herbst 2024 entscheiden kann.
Gerold Riedmann ist Chefredakteur der Vorarlberger Nachrichten.
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