Wir sind Europameister!
Die Erfolge unserer Fußballnationalmannschaft in der Qualifikation für die Europameisterschaft führen zu unrealistischen Träumen. Wirklich „Europameister“ sind wir hingegen in einem wenig erfreulichen Bereich: dem Bodenverbrauch. Österreich hat pro Kopf der Bevölkerung die größte Supermarktfläche Europas. Auch beim Straßenbau sind wir vorne mit dabei. Die versiegelte Fläche ist inzwischen sechsmal so groß wie das Bundesland Wien oder fast so groß wie Vorarlberg.
„Neben dem bereits unanständigen Beitrag Österreichs zur Klimaerwärmung wird auch das Mikroklima beeinflusst.“
Leider nur „unverbindlich“ steht im Regierungsprogramm, den Bodenverbrauch bis 2030 um 80 Prozent zu reduzieren – auf immer noch 2,5 Hektar täglich. Das versprach auch schon die schwarz-blaue Regierung im Jahr 2002. Geändert hat sich in den zwei Jahrzehnten aber nichts.
Letzte Woche wurde in einer Konferenz eine Einigung für eine österreichweiten Bodenschutzstrategie angestrebt. Erfolglos: Die ÖVP war nicht bereit, verbindliche Zielwerte und Verpflichtungen festzulegen.
Flächenfraß
Der Föderalismus ist in vielen Bereichen eine gute Sache, aber nicht in allen. Die überörtliche Raumordnung beispielsweise ist grundsätzlich Ländersache. Oberste Bauinstanz in den Gemeinden ist jeweils der Bürgermeister. Der steht angesichts explodierender Grundstückspreise und massiver Begehrlichkeiten auf Umwidmungen unter gewaltigem Druck.
ExpertInnen rechnen vor, dass es bei anhaltender Tendenz in 200 Jahren keine (!) Agrarflächen mehr gibt. Zubetonierter Boden speichert kein Wasser und heizt die Temperaturen an. Sinkender Wasserspiegel und in weiterer Folge Trockenheit, Wassermangel, weniger Biodiversität und Erholungsraum sind die Folgen. Der Neusiedlersee beispielsweise erholt sich seit Jahren nicht mehr und muss künftig wohl künstlich mit Wasser versorgt werden.
Warnzeichen allerorten
Nicht nur NGOs warnen: Auch die Hagelversicherung verweist darauf, dass die Verbauung gefährliche Ausmaße angenommen hat. Neben dem bereits unanständigen Beitrag Österreichs zur Klimaerwärmung wird auch das Mikroklima beeinflusst. In größeren Städten haben sich die Hitzetage auch angesichts des schrumpfenden Naturraums vervielfacht.
Der Experte für Klimawandelanpassung und VN-Kolumnist Simon Tschannett verweist darauf, dass weniger Wiesen, Äcker und Wälder das speziell für Städte wichtige Entstehen von Kaltluft und somit die Abkühlung in den Nächten verhindern. Hinzu kommen zunehmend weniger Baumschatten und die erhitzten Betonflächen. Auch für uns im Ländle muss gelten: keine Eingriffe mehr in die Landesgrünzone, Supermärkte so wie im Burgenland nur mehr in Ortskernlagen, Reduzierung der Baulandreserven usw.
Die Schweiz will diesbezüglich übrigens künftig in Europa eine Vorreiterrolle einnehmen und hat am vergangenen Sonntag mit erstaunlich klarer Mehrheit für ein deutlich verschärftes Klimaschutzgesetz gestimmt. Österreich hingegen ist noch immer in den falschen Bereichen Europameister!
Harald Walser ist Historiker, ehemaliger Abgeordneter zum Nationalrat und AHS-Direktor.
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