Peter Bußjäger

Kommentar

Peter Bußjäger

Meilenstein

Politik / 27.07.2023 • 18:00 Uhr

Während der Pandemie, als Beschränkungen der Bewegungsfreiheit der Menschen und diverse Lockerungen einander ablösten, habe ich mit manchen Journalisten darüber gesprochen, dass es interessant wäre, die fachlichen Begründungen dieser Verordnungen zu lesen und nicht nur über Pressekonferenzen informiert zu werden. Auch dass der Verfassungsgerichtshof in seinen vielen Entscheidungen die Begründungen prüfte und teilweise aus diesen zitierte, machte die Sache nicht besser. Warum wurde den Bürgerinnen und Bürgern als Betroffenen der Inhalt dieser Expertisen nicht zugänglich gemacht?

„Das Gesundheitsministerium hat in einer ersten Erklärung mitgeteilt, über die Klärung der Rechtsfrage froh zu sein, was nicht ganz ehrlich klingt.“

Der Journalist der Vorarlberger Nachrichten Maximilian Werner hat, gestützt auf das Auskunftspflichtgesetz, einen Antrag beim Gesundheitsministerium gestellt, die fachlichen Begründungen der Corona-Verordnungen zu erhalten. Das Begehren wurde abgewiesen – nach acht Monaten. Das dagegen angerufene Bundesverwaltungsgericht hat ihm vor ein paar Tagen recht gegeben und der Behörde unter Berufung auf die Aufgabe des Journalisten, die Öffentlichkeit zu informieren, den Auftrag erteilt, die angesuchten Informationen herauszugeben.

Das Gesundheitsministerium hat in einer ersten Erklärung mitgeteilt, über die Klärung der Rechtsfrage froh zu sein, was nicht ganz ehrlich klingt. Warum benötigte der Apparat acht Monate, um einen abweisenden Bescheid zu erstellen, wenn man sich auf einen Musterprozess freute? Immerhin wird das Ministerium darauf verzichten, die Angelegenheit in die nächste Instanz zu ziehen, sodass mit der Herausgabe der fachlichen Begründungen in der nächsten Zeit zu rechnen ist.

Die Entscheidung ist ein Meilenstein für das Bestreben um mehr Transparenz in der öffentlichen Verwaltung und beweist einerseits, dass die gegenwärtige Rechtslage durchaus geeignet ist, für eine gewisse Informationsfreiheit zu sorgen. Andererseits demonstriert das Verfahren auch, wie weit die herrschende Verwaltungskultur noch immer vom Gedanken des Vorrangs der Amtsverschwiegenheit gegenüber Transparenz geprägt ist. Solange dieses Denken dominiert, helfen womöglich auch neue Gesetze über die Informationsfreiheit nichts.

Die weiteren Konsequenzen sind ebenfalls spannend: Wenn nunmehr die fachliche Begründung von Corona-Verordnungen zugänglich gemacht werden muss, dann gilt dies selbstverständlich auch für jeden Flächenwidmungsplan und viele andere Verwaltungsakte. Werden wir vielleicht demnächst auch schon die Begründung für diverse umstrittene Postenentscheidungen erfahren dürfen? Es wäre höchste Zeit.

Peter Bußjäger ist Direktor des ­Instituts für Föderalismus und ­Universitätsprofessor in Innsbruck.