Italien kürzt Sozialhilfe drastisch

Proteste im Süden des Landes: Hunderttausenden Italienern wird „Bürgergeld“ gestrichen.
Rom Die italienische Premierministerin Giorgia Meloni ist wegen des Beschlusses ihrer Regierung, seit gestern Dienstag zahlreichen Menschen das Bürgergeld zu streichen, mit heftiger Kritik konfrontiert. Die Oppositionsparteien beschuldigen die Rechtspopulistin, eine „soziale Bombe“ mit schwer abschätzbaren Folgen für die ärmere Bevölkerung gezündet zu haben.
Per SMS wurden 169.000 Haushalte in Italien kürzlich darüber informiert, dass sie ab dem 1. August kein Bürgergeld mehr erhalten. Die Textnachricht der Sozialversicherungsanstalt INPS führte besonders in Süditalien, wo die meisten Empfänger von Bürgergeld leben, zu Protesten. In Neapel, der Stadt mit der höchsten Zahl von Bürgergeldbeziehern, kam es am Montagnachmittag zu einer Protestkundgebung gegen die Abschaffung des „Reddito di Cittadinanza“, wie die Geldleistung auf Italienisch heißt. Oppositionsparteien kritisierten die Regierung, die künftig das Bürgergeld nur noch an Haushalte mit Behinderten, Minderjährigen oder Senioren über 65 Jahren auszahlen wird.
Vor allem Langzeitarbeitslose sowie Personen, die alleinstehend sind oder keine Kinder haben, gehen leer aus. Bezugsberechtigt sind nunmehr nur noch Verheiratete mit Kindern oder Haushalte, in denen ältere Menschen über 65 oder Menschen mit Behinderung leben. Wer das Bürgergeld verloren hat und nicht arbeitsfähig ist, soll künftig Hilfe durch die Sozialdienste der Wohngemeinde erhalten. Wie das konkret erfolgen soll, ist selbst für die Kommunen noch unklar.
Wer arbeiten könne, dürfe nicht dem Staat auf der Tasche liegen, lautet die Devise der Regierung Meloni. Allein lebende arbeitslose Personen zwischen 18 und 59 Jahren erhalten künftig nur noch einen Zuschuss von 350 Euro pro Monat, und das auch nur, wenn sie an einer Qualifizierungs- oder Wiedereingliederungsmaßnahme teilnehmen. Der Zuschuss ist auf zwölf Monate begrenzt und unterliegt im Hinblick auf die Einkommens- und Vermögensgrenzen härteren Zugangsbedingungen als die bisher geltende Unterstützung. Sozialhilfeempfänger verlieren die Leistungen, wenn sie ein Arbeitsangebot ablehnen, das mindestens 60 Prozent einer Vollzeitstelle umfasst und den tarifvertraglichen Mindestlohn vorsieht.
Die Regierung Meloni will die Zahl der Leistungsempfänger innerhalb weniger Jahre um rund 40 Prozent reduzieren. Die Ausgaben des vergangenen Jahres für das Bürgergeld von über acht Milliarden Euro sollen um drei Milliarden Euro reduziert werden.
Zuletzt lag das von der Regierung von Premierminister Giuseppe Conte 2019 eingeführte Bürgergeld für einen Alleinstehenden bei bis zu 780 Euro im Monat, eine vierköpfige Familie bekam 1330 Euro. Wirtschaftstreibende meinen, das Bürgergeld führe dazu, dass Arbeitslose auf eine Beschäftigung verzichten. Dabei herrsche in vielen Wirtschaftssektoren akuter Personalmangel.