Das Mittelalter ist keine Antwort
„Teichtmeister, wir kommen!“, das war das unmissverständliche Motto einer Demonstration vergangenen Samstag in Langenlois. Laut den Organisatoren wollte man sich für Kinderschutz einsetzen. Protestierende führten tatsächlich auch einen Galgen mit, wie man auf Fotos der Demo sieht, die bei der Social-Media-Plattform X veröffentlicht wurden. Organisator Martin Rutter forderte in einer Aussendung vor der Veranstaltung eine „Transparenz-Datenbank, in der alle Pädokriminellen aufgelistet sind“ – und suchte sich als Ort für den Protest die Heimatstadt des gefallenen Burgtheater-Stars Florian Teichtmeister aus, in der seine Mutter lebt. Verstörende Szenen in einer österreichischen Kleinstadt.
Eine tiefe Verstörung begleitet den Fall Teichtmeister von Beginn an, seitdem der Name des Schauspielers nach seinem Geständnis Anfang des Jahres öffentlich wurde. Heute, Dienstag, wird am Wiener Landesgericht gegen Teichtmeister verhandelt, der sich wegen Besitzes und Herstellung zehntausender Dateien mit Kindesmissbrauchdarstellungen verantworten muss. Im Fall einer Verurteilung drohen dem 43-Jährigen nicht nur bis zu drei Jahre Haft, sondern zusätzlich die Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum.
Ein schreckliches und emotionalisierendes Thema rund um eine prominente Person eignet sich dafür, Unzufriedene und Wütende hinter sich zu versammeln. Der Organisator des Langenloiser Protests trat während der Corona-Pandemie regelmäßig als Organisator von Demos jener auf, die gegen Impfung, Corona-Maßnahmen und „das System“, den Staat in seiner Gänze sind; laut dem Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes pflegt Rutter auch Verbindungen zur extremen Rechten. Wer allerdings mit Drohgebärden gegen Probleme in der Gesellschaft vorgehen will, entwirft das Bild einer Welt der Vergangenheit, die wir erfreulicherweise hinter uns gelassen haben: Pranger, Lynchjustiz, Mittelalter, wer will das im 21. Jahrhundert? Der demokratische Rechtsstaat mag teilweise auch Mängel, Reflexions- und Entwicklungsbedarf haben, dennoch bildet er eine gute Grundlage für das Zusammenleben.
Die Regierung hatte den Fall Teichtmeister zum Anlass genommen, um die Strafen für Beschaffung, Besitz und Weitergabe oder Handel mit Missbrauchsdarstellungen von Kindern und Jugendlichen zu verschärfen. Doch Kinderschutz ist eine Aufgabe für uns alle: Der dringend notwendige Ausbau der opfer- und täterorientierten Präventionsarbeit beginnt in unserer Mitte, indem man das Tabu aufbricht – und darüber spricht. Nur so können Taten besser verhindert und Kinder bewahrt werden. Und nicht, indem man ins Mittelalter zurückverfällt.
Julia Ortner
julia.ortner@vn.at
Julia Ortner ist Journalistin mit Vorarlberger Wurzeln, lebt in Wien und arbeitet für den ORF-Report.
Kommentar