„Erzählung, dass Länder unter Kuratel zu stellen sind, ist jenseitig”

Politik / 21.11.2023 • 18:00 Uhr
Drexler bevorzugt eine Koalition aus ÖVP und SPÖ. <span class="copyright">APA</span>
Drexler bevorzugt eine Koalition aus ÖVP und SPÖ. APA

Christopher Drexler über SPÖ, FPÖ und den Finanzausgleich.

Das Interview mit dem steirischen Landeshauptmann führten die Chefredakteure der Bundesländerzeitung. Für die VN war Chefredakteur Gerold Riedmann dabei.

Salzburg Der steirische Landeshauptmann Christopher Drexler hat keine Freude mit der Politik auf der Bundesebene. Im Interview mit den Bundesländerzeitungen ortet er zunehmend ein „total vergiftetes Klima“ auf Bundesebene und fährt fort: „Langsam frage ich mich, wer mit wem überhaupt noch eine Koalition eingehen will. Ich höre immer nur Koalitionsabsagen. Wenn es so weitergeht, wird dem Bundespräsidenten nichts anderes übrigbleiben, als noch einmal eine Expertenregierung anzugeloben.“

Zwar dauert es noch einige Zeit, bis gewählt wird. Dennoch thematisiert Drexler die Koalitionsfrage. Er appelliert an SPÖ-Chef Andreas Babler, der einer Koalition mit der Volkspartei skeptisch gegenübersteht. „Ich habe viel Verständnis für Parteitagsrhetorik. Am Ende muss auch in der SPÖ Staatsräson und Vernunft Platz greifen.“ Und der steirische Landeshauptmann outet sich einmal mehr als Befürworter einer schwarz-roten Koalition. „Es gibt einen Markt für eine vernünftige Politik der Mitte.“ Von einer Dreier-Koalition hält er nichts. „Da reicht ein Blick nach Deutschland.“

Aber auch schwarz-blau

Wie alle in der ÖVP möchte sich Drexler aber alle Optionen offen lassen. Er stehe auch einer Koalition mit der FPÖ offen gegenüber. „Mit der FPÖ unter Kickl ist das nicht möglich. Seine Ansichten gehen ins Obskure und Bizarre.“ Er fragt sich auch, wie es möglich sei, dass eine Partei, die in Ibiza eine völlig moralische Bankrotterklärung ihrer Spitzenfunktionäre abgegeben habe, heute bei 32 Prozent liege und den Eindruck erwecke, sie sei moralisch integer. Und er bleibt zuversichtlich, dass die ÖVP trotz schlechter Umfragen gut abschneiden wird.

Auch das Thema Migration reißt Drexler an. „Wir müssen ein offenes Land sein für Forscher, Wissenschaftler, Krankenschwestern. Gleichzeitig brauchen wir keine illegale Migration.“ Den jüngsten Entwicklungen begegne er mit Entsetzen. „Wir haben seit 2015 Frauenfeindlichkeit, Homophobie und Antisemitismus importiert. Wenn jemand das Existenzrecht Israels in Frage stellt, Fahnen herunterreißt, muss er abgeschoben werden.“

Zum Streit zwischen dem Gesundheitsministerium und der Ärztekammer äußert sich Drexler ebenfalls. „Es ist klar, dass eine Gesundheitsreform ohne Ärzte unmöglich ist. Ich appelliere allerdings an die Verantwortlichen in der Ärztekammer, mehr auf ihre Mitglieder zu hören. Die jüngeren Ärztinnen und Ärzte wollen sehr gern in den Gesundheitszentren arbeiten. Da nimmt die Kammer eine Position ein, die sich nicht mit der Meinung der Mitglieder deckt.“

Abrechnung mit dem Bund

Und einmal mehr rechnet Drexler mit dem Umgang des Bundes mit den Ländern ab. „Es herrscht die Vorstellung vor, dass der Bund ein einziger Effizienzcluster ist und leider Geld an andere Gebietskörperschaften überweisen muss, die damit unsachgemäß umgehen. Das ist Unfug.“ Eine Spitze gegen den Gesundheitsminister darf nicht fehlen. „Mir braucht Rauch nicht zu erklären, wie man eine Gesundheitsreform anpackt. Er hat noch keine angepackt, wir haben schon mehrere Reformen umgesetzt.“

Der Finanzausgleich sollte einer generellen Reform unterzogen werden. „Es kann nicht sein, dass man sich immer erst zum Schluss zusammensetzt. Man sollte Wege finden, um im permanenten Austausch zu bleiben.“ Dann hätte man früher erkannt, dass jene Bereiche, für die die Länder zuständig sind, also Spital, Bildung und Pflege, aus demografischen Gründen einer besonderen Ausgabendynamik unterliegen. „Die Erzählung, dass die Länder unter Kuratel zu stellen sind, ist jenseitig.“