Was dürfen die Länder – und was nicht? Debatte über die Föderalismusreform

Die Bundesregierung möchte zusammen mit den Landesregierungen den Föderalismus reformieren. Experten sind sich uneins, zu welchem Gunsten sich die Macht verschieben soll.
Schwarzach Die Bundesregierung hat sich ein – für österreichische Verhältnisse – hehres Ziel gesetzt. Sie möchte den Föderalismus reformieren. Zwar hat es schon eine erste Gesprächsrunde gegeben, die Kernfrage ist allerdings noch nicht gestreift worden: Welche Kompetenzen wandern von den Bundesländern nach Wien? Welche in die Bundesländer? Die Landeshauptleute und so manche Partei in Wien bringen sich jedoch schon in Stellung. Auch Landeshauptmann Markus Wallner hat sich bereits geäußert. Wohin soll die Reise gehen? Experten sind sich uneins, wie ein VN-Gespräch mit Peter Bußjäger und Franz Fiedler zeigt.
Frage der Kompetenzverteilung
Franz Fiedler ist das Thema bekannt. Er leitete von 2003 bis 2005 den Österreich-Konvent, in dem Vorschläge für eine grundlegende Staats- und Verfassungsreform erstellt wurden. Wenig ist daraus geworden, 20 Jahre später startet ein neuer Versuch. Zurecht, sagt Fiedler: “Der Föderalismus ist reformbedürftig.” Speziell, wenn es um die Kompetenzverteilung geht, fährt der Jurist fort. Peter Bußjäger sieht es anders: “Die Kompetenzverteilung ist nicht das große Problem.” Der Verfassungsjurist sieht die schlechte Abstimmung zwischen Bund und Ländern als großes Hemmnis, etwa im Gesundheitswesen und in der Bildung. “Hier müsste viel besser koordiniert werden.”

Beim Gesundheitswesen benötige es sicherlich eine gesamthafte Steuerung, ist Bußjäger überzeugt. “Das heißt aber nicht, dass man dem Bund das gesamte Gesundheitswesen übertragen muss, im Gegenteil.” Aber man müsse Entscheidungsstrukturen finden, um das System effizienter zu machen. “Vor ungefähr 15 Jahren gab es einen Modellversuch Vorarlberg im Gesundheitswesen, leider hat den damaligen Gesundheitsminister Stöger der Mut verlassen.” Fiedler betont, dass die Länder sowieso viele Kompetenzen haben. “Alles, was nicht explizit in Bundeskompetenz fällt, kommt automatisch den Ländern zu.” Aber gerade im Gesundheitswesen, Bildungswesen, beim Baurecht, in der Wirtschaft wäre eine Vereinheitlichung auf Bundesebene richtig. “Da liegen die größten Einsparungspotenziale.” Bußjäger sieht hingegen etwa im Wohnungswesen die Möglichkeit, die Zuständigkeit den Ländern zu übertragen. “Entgegen dem, was medial von den Zentralisten hinausgeblasen wird, bin ich im Übrigen der Meinung, dass die Kompetenzen der Länder im Bildungswesen deutlich ausgeweitet gehören. Als Erstes würde ich die Bildungsdirektionen in die Landesverwaltung holen.”

Steuerautonomie
Fiedler findet noch weitere große Baustellen im Verhältnis zwischen Bund und Bundesländern. “Die Ausgaben- und Einnahmenverantwortung liegt nicht in einer Hand, die Ausgaben- und Aufgabenverantwortung ebenfalls nicht. Das führt zu Verlusten und einem vermeidbaren Mehraufwand.” Den Ländern könnte man deshalb eine größere Abgabenautonomie einräumen, sagt der Experte. “Sie sollten nach dem Vorbild der Schweiz die Möglichkeit haben, zusätzlich zur Einkommenssteuer Steuern einzuheben.” Das würde zu einem Wettbewerb führen. Wichtig sei aber, dass damit keine Kompetenzerweiterung einhergehe. “Sondern, dass die Länder die ihnen übertragenen Aufgaben besser erfüllen können.” Auch Peter Bußjäger kann einer Steuerautonomie einiges abgewinnen. “Es gibt Studien, die eine gewisse Steuerautonomie für sinnvoll halten. Allerdings ist der Bund nicht ernsthaft daran interessiert. Lieber verhandelt man alle fünf Jahre über einen Finanzausgleich, als dass man einen Wettbewerb unter den Ländern will.” Zudem würden Umfragen zeigen, dass eine Steuerautonomie unter den föderalistischen Wünschen der Bevölkerung an letzter Stelle liege.
Die Landtage möchten beide nicht abgeschafft sehen, die Landeshauptleutekonferenz ebenfalls nicht. Im Gegenteil: Fiedler schlägt vor, die Konferenz in einen rechtlichen Rahmen zu betten. “Dann würde man auch Klarheit darüber bekommen, welche Verantwortung das Gremium zu tragen hat.”