Tonaufnahme bringt Sobotka auch im Parlament in Bedrängnis

Politik / 22.11.2023 • 16:50 Uhr
Vor der Debatte über das Budget ließ Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka die Vorwürfe der Opposition über sich ergehen. <span class="copyright">APA/Eva Manhart</span>
Vor der Debatte über das Budget ließ Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka die Vorwürfe der Opposition über sich ergehen. APA/Eva Manhart

Die Oppositionsparteien forderten vor der heutigen Budgetdebatte im Nationalrat einhellig den Rücktritt von Wolfgang Sobotka als Nationalratspräsident.

Wien So ein Parlamentspräsident hat eine einzigartige Position. Ist er von den Abgeordneten gewählt, so ist er nicht mehr absetzbar. Die einzige Möglichkeit, ihn loszuwerden: Er tritt selbst zurück. Doch der von der ÖVP nominierte Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka denkt nicht daran. Nicht nach einigen Vorwürfen etwa wegen seiner Vorsitzführung im Untersuchungsausschuss und auch strafrechtlicher Natur. Und nicht nach einer heutigen Debatte im Nationalrat, in der Vertreter der Opposition den Vorsitzenden mehrmals dazu aufforderten, seinen Posten zu räumen.

„Ich kann es nicht, ich mach es nicht, ich will es nicht“

Der aktuelle Anlass: Wenige Wochen nach dem Tod von Christian Pilnacek ist am Dienstag eine heimliche Tonbandaufnahme aufgetaucht, in der der zuletzt suspendierte Justiz-Sektionschef Vorwürfe gegen die ÖVP erhebt. In dem Gespräch behauptet er, Interventionen der ÖVP in Ermittlungen abgewehrt zu haben, namentlich nennt er den früheren Innenminister und jetzigen Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka. Er, Pilnacek, habe immer gesagt: „Ich kann es nicht, ich mach es nicht, ich will es nicht.“

Tonaufnahme bringt Sobotka auch im Parlament in Bedrängnis
In einer Geschäftsordnungsdebatte forderten die Oppositionsparteien – Herbert Kickl (FPÖ), Beate Meinl-Reisinger (Neos) und Philipp Kucher (SPÖ) (v. l. n. r.) – Wolfgang Sobotka zum Rücktritt auf. APA/Eva Manhart

Ein Sprecher des Nationalratspräsidenten hielt gegenüber dem „Standard“ fest, dass Sobotka mit Pilnacek nie zu laufenden Verfahren, Ermittlungen oder Sicherstellungsanordnungen gesprochen habe: „Wenn ein erst kürzlich, unter tragischen Umständen verstorbener Mensch nun in die Öffentlichkeit gezerrt werden soll, um politisches Kleingeld zu schlagen, dann werden wir uns an einem solch pietätlosen Akt nicht beteiligen.“ Und weiter: „Das rücksichtslose Instrumentalisieren eines Menschen, der sich heute nicht mehr erklären kann, ist ein absoluter Tiefpunkt der politischen Kultur in unserem Land.“

„Genug ist genug.“

Diese Argumentation war für die Opposition aber kein Grund, ihre Rücktrittsforderungen gegenüber Sobotka nicht zu wiederholen. SPÖ-Klubobmann Philip Kucher meinte in der Nationalratsdebatte, Sobotka müsste wissen, was zu tun sei, um Schaden von der Republik abzuwenden. Das Amt werde durch ihn beschädigt: „Genug ist genug.“

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In einer längeren Ansprache wiederholte FPÖ-Chef Herbert Kickl diverse Vorwürfe gegen den Nationalratspräsidenten und seine Partei. Und Beate Meinl-Reisinger zeigte sich über die Aufnahme Pilnaceks zwar irritiert, aber es sollte nicht der leiseste Verdacht bestehen, dass der Nationalratspräsident nicht die untadelige Person sei, die das Amt brauche: „Ich ersuche Sie um Ihren Rücktritt.“

ÖVP ortet Geheimdienstmethoden

Die ÖVP – namentlich ihr Generalsekretär Christian Stocker, der innerhalb weniger Stunden bereits die zweite Pressekonferenz zum Thema abhielt – ortete unterdessen Geheimdienstmethoden: „Diese Methoden haben in der Vergangenheit in unserer Republik großen Schaden angerichtet.“ Und auch Bundeskanzler Karl Nehammer bot Sobotka, dem zweiten Mann im Staat, Rückendeckung („Er hat mein Vertrauen.“), bevor er zur Medienschelte ausholte: „Um Politik zu machen, wird die Totenruhe gestört.“ Dies warf der Kanzler auch Journalisten vor: „Sie würden mir die Frage nicht stellen, würden Sie die Totenruhe nicht stören.“

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In eine ähnliche Kerbe schlug Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner, ebenfalls von der ÖVP. Auf VN-Frage am Rande einer Pressekonferenz zeigte er sich zugeknöpft: Er kenne die Mitschnitte nicht und wisse nicht, ob diese echt seien. Auf eine wiederholte Nachfrage darüber, dass die Echtheit von der „ZiB 2“ bestätigt wurde, reagierte er dennoch nicht inhaltlich: „Ich werde mich aus moralischen Gründen nicht äußern.“ Er halte das für pietätlos.

Justizministerin Alma Zadić kündigte unterdessen dennoch – wohl gegen den Willen des Koalitionspartners – an, angesichts der „schweren Vorwürfe“ eine Untersuchungskommission einzurichten. Und die grüne Generalsekretärin Olga Voglauer meinte, dass sie an Sobotkas Stelle auch angesichts früherer Vorwürfe längst zurückgetreten wäre, um das Ansehen dieses hohen Amtes zu schützen.