Glühende Europäer
Die Skepsis gegenüber Europa ist angeblich in keinem anderen Land der EU so groß wie in Österreich, bescheinigt eine neue Umfrage. Gerade einmal 42 Prozent sehen in der EU eine gute Sache, 35 Prozent äußern sich neutral, 22 Prozent wollen überhaupt raus. Die Schuldigen sind in den Medien schnell ausgemacht: Zunächst einmal alle Politiker, die sich jemals kritisch über die EU geäußert haben, sowie im Besonderen die Freiheitliche Partei, die bekanntermaßen europakritisch auftritt.
„Vielleicht sollten es sich die Freunde der EU nicht so leicht machen.“
Vielleicht sollten es sich die Freunde der EU nicht so leicht machen. Die FPÖ mit ihren etwa 30 Prozent Stimmenanteil, den sie derzeit erzielen würden, kann nicht für 60 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher verantwortlich sein, die der EU gegenüber ablehnend oder zumindest diffus eingestellt sind. Ebenso wenig der eine oder andere Bundesminister, der gelegentlich markige Forderungen in Brüssel deponiert. Außerdem sind die Berichterstattung und Information öffentlicher Stellen und der Medien über die EU insgesamt detailreich und ausgewogen.
Warum sehen also die Menschen in diesem Land die EU so kritisch? Vielleicht, weil kaum ein anderes Land so stark von der illegalen Migration betroffen ist? Oder weil der Eindruck besteht, dauernd von der EU gemaßregelt zu werden, wie sich beispielsweise am Wolfsmanagement im Alpenraum zeigt? Der zuständige EU-Kommissar aus dem Baltikum, wo es egal ist, ob sich in den dortigen weiten Wäldern ein paar Tausend Wölfe herumtreiben, äußerte völliges Unverständnis für unsere Probleme. Diese Ignoranz spüren nicht nur die betroffenen Älpler.
Den Rest der EU-Skepsis besorgen schließlich jene Österreicher, die sich selbst als „glühende Europäer“ bezeichnen und in ihren Fieberkurven jeder Gängelung der Mitgliedstaaten durch die Union begeistert applaudieren. Hauptsache scheint für sie, eine Angelegenheit wird „europäisch erledigt“. Wofür überhaupt noch eine Demokratie auf der staatlichen Ebene oder gar im Land gut sein soll, wenn alle maßgeblichen Entscheidungen in Brüssel getroffen werden, darüber denken diese glühenden Europäer offenbar nicht nach.
Man kann die Umfrage auch positiv sehen: Sie zeugt von einem gesunden Misstrauen der Bevölkerung gegenüber einer allzu leichtfertigen Abgabe von Entscheidungshoheit nach Brüssel und manchen Versprechungen glühender Europäer. Unsere Politiker sollten sich, auch wenn es genügend Fälle gibt, in denen die EU den Mitgliedstaaten zu Recht Vorgaben macht, daran orientieren.
Peter Bußjäger ist Direktor des Instituts für Föderalismus und Universitätsprofessor in Innsbruck.
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