Null Eigenverantwortung
Man hätte meinen können, die Koalitionsparteien haben ihre Rollen getauscht. Nicht die ÖVP, sondern die Grünen verkündeten diese Woche jedenfalls, für „Häuselbauer:innen“ zu kämpfen: „Familien mit explodierenden Kreditzinsen muss geholfen werden“, schrieb Klubobfrau Sigrid Maurer auf Twitter (X). Konkret: Banken sollen dazu verpflichtet werden, variable auf Wunsch in fix verzinste Wohnbaukredite umzuwandeln. Und zwar rückwirkend bei allen Krediten, die seit 21. März 2016 abgeschlossen wurden (bzw. bis Jahresende 2024 abgeschlossen werden).
„Das ist eine Ermunterung, noch riskanter zu werden. Es kann ohnehin nichts passieren.“
Ein solcher Vorschlag aus der ÖVP wäre am Ende vielleicht doch etwas sehr überraschend gewesen. Dort fühlt man sich grundsätzlich zwar Interessen von Einfamilienhausbesitzerinnen und -besitzern verpflichtet, man gibts sich aber auch gerne wirtschaftsfreundlich und betont überdies immer wieder die Bedeutung von Eigenverantwortung. Andererseits: In Wahlkampfzeiten nimmt man es damit nicht so genau. Und so zeigte sich Klubobmann August Wöginger in Bezug auf den Maurer-Vorstoß immerhin gesprächsbereit.
Man kann nur hoffen, dass nichts herauskommt. Selbst wenn vielleicht echte Sorge um „Häuselbauer:innen“ dahintersteckt, wäre eine solche Maßnahme verheerend. Das Problem ist unbestritten: Immobilien sind sehr teuer geworden. Vielen war das in Zeiten von null Zinsen ein zusätzlicher Grund, auf damals sehr niedrige variable Zinsen zu setzen. Wer es sich leisten konnte, vor allem aber vorsichtiger ist, blieb bei einem höheren, einem fixen Zinssatz. Das hat sich jetzt bezahlt gemacht. Variabel verzinste Wohnbaukredite zu bedienen, ist aufgrund stark steigender Zinsen für viele zu einer großen Herausforderung geworden.
Man sollte jedoch nicht so tun, als würden alle vor dem Ruin stehen. Bisher ist die Kreditausfallrate bei kaum mehr als einem Prozent geblieben. Und überhaupt: 48 Prozent der neu aufgenommenen Wohnkredite sind laut Nationalbank noch immer variabel verzinst.
Wichtiger ist jedoch die Frage, welches Signal von der eingangs erwähnten Grünen-Forderung ausgehen würde. Die Antworten sprechen klar dagegen. Erstens: Wer ein Risiko eingeht, erfährt, dass der Staat hilft, sobald etwas danebengeht. Das ist eine Ermunterung, noch riskanter zu werden. Es kann ohnehin nichts passieren. Eigenverantwortung ist damit komplett erledigt. Zweitens: Wer kein Risiko eingeht, ist in einem solchen Vollkaskostaat der Dumme. Drittens: Unternehmen könnten nicht mehr über den Tag hinaus kalkulieren. Wer weiß, was Regierenden morgen einfällt? Heute sind es Banken, morgen trifft es andere.
Wie gesagt: Vielleicht steckt ja gute Absicht hinter dem Vorstoß. Er entspricht jedoch einem Zugang, der sich – interessanterweise ohne sozialistische Regierungsbeteiligung – seit Jahren verstärkt: Der Staat regelt alles. Wobei er der Einfachheit halber nicht einmal mehr darauf schaut, wem er wirklich unter die Arme greifen sollte.
In Wirklichkeit wäre auch hier Treffsicherheit möglich: Nicht allen machen erhöhte Kreditraten zu schaffen. Manche aber zwingen sie, bei sich selbst und ihren Kindern so sehr zu sparen, das ihnen soziale Ausgrenzung droht und Chancen geraubt werden. Im schlimmsten Fall bleiben irgendwann nur hohe Schulden übrig, sind Perspektiven und alles Eigentum weg. Ein solches Maß an Absturz muss verhindert werden. Niemand soll derart büßen müssen. Das aber lässt sich im Einzelfall regeln.
Johannes Huber betreibt die Seite dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.
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