Kammer in Not

Das neue Jahr steht vor der Tür und es wird ein Superwahljahr. In Vorarlberg mit Nationalrats- und Landtagswahlen, in Europa mit der Wahl zum Europäischen Parlament, aber auch spannenden Entscheidungen in mehreren deutschen Bundesländern und schließlich mit der uns alle beeinflussenden Kür des US-Präsidenten. Österreich startet zunächst nicht gerade mit einem Straßenfeger. Zwischen 26. Jänner (Vorarlberg und Salzburg) und 29. April (Steiermark) finden die Arbeiterkammerwahlen statt. Alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind dabei aufgerufen, in ihrer jeweiligen Länderkammer die Vertreter der Vollversammlung zu wählen, die dann wiederum die Präsidentin oder den Präsidenten wählen.
Einen öffentlich wahrnehmbaren Wahlkampf erwartet im Grunde niemand. Kaum jemand kennt Kandidaten und zur Wahl stehende Fraktionen. Einzig die Kammerpräsidenten sind Informierten geläufig. Sie stehen üblicherweise als Vertreter der Arbeitnehmerinteressen der SPÖ nahe. Nur in Vorarlberg und Tirol werden sie von der ÖVP-nahen FCG-Fraktion gestellt. Doch vor allem im Ländle ist der Vorsprung in den vergangenen 25 Jahren rasant geschrumpft. Bernhard Heinzle, erst seit einem guten Jahr im Amt, kämpft um die Wiedererlangung der absoluten Mehrheit ohne den Wettbewerbsvorteil der sonst langjährig bekannten Gesichter in anderen Länderkammern.
In die Schlagzeilen schafft es meist nur die Wahlbeteiligung. 1949 noch über 81 Prozent, gingen vor fünf Jahren nicht einmal mehr 39 Prozent hin. In Vorarlberg noch weniger. Auf den ersten Blick ist das Desinteresse nicht logisch, äußert die Bevölkerung doch in vielen Umfragen immer den allgemeinen Wunsch nach mehr Beteiligung. Die AK genießt darüber hinaus seit Jahren Spitzenwerte beim Vertrauen. Zuletzt gelang ihr gar der Sprung in die Top 3 hinter Polizei und Bundesheer, weit vor Bundespräsident, Gemeinderäten und ihrem Pendant Wirtschaftskammer. Der Grund – sowohl für die hohen Beliebtheitswerte als auch für die niedrige Wahlbeteiligung – liegt in der Wahrnehmung der Arbeiterkammer als Konsumentenschutzorganisation anstelle eines politischen Akteurs.
„Nächstes Jahr zittern die AK-Präsidenten nicht nur um ihr Ergebnis, sondern auch um ihre Legitimation.“
Für die AK ist das geringe Interesse an ihrer politischen Funktion zwiespältig. Forciert sie die parteipolitische Auseinandersetzung, verliert sie sofort an Vertrauen. Zusätzlich riskiert die AK, dass eine Steigerung der Wahlbeteiligung ohnehin nur der im Umfragehoch befindlichen FPÖ nützt, die bisher auf Kammerebene eine Nebenrolle spielt. Wenn die AK aber weiterhin so wenig Interesse bei ihren Mitgliedern weckt, könnte ihre Rolle als Verhandler auf Augenhöhe gefährdet sein. Nächstes Jahr zittern die Präsidenten daher nicht nur um ihr Ergebnis, sondern auch um ihre Legitimation. Denn ein blauer Kanzler wird trotz des Bekenntnisses zum Volk an der Stärkung einer vor allem roten Kammer kaum interessiert sein. Ähnlich wie beim ORF-Beitrag lässt sich die Halbierung der Kammerumlage hervorragend als bestes Mittel gegen die Inflation verkaufen. Wer diese Schwächung der Sozialpartnerschaft vermeiden will, sollte nicht aufs Christkind hoffen, sondern im Jänner zur Wahl gehen.
FH-Prof. Kathrin Stainer-Hämmerle, eine gebürtige Lustenauerin, lehrt Politikwissenschaften an der FH Kärnten.