Hausbesetzer in Downing Street?

Politik / 07.01.2024 • 22:27 Uhr
Seit Oktober 2022 bewohnt Premier Rishi Sunak die Downing Street.Reuters
Seit Oktober 2022 bewohnt Premier Rishi Sunak die Downing Street.Reuters

Großbritannien wählt heuer ein neues Parlament und wohl Premier Rishi Sunak ab.

London Die Adresse zählt zu den berühmtesten der Welt. Der britische Premierminister Rishi Sunak hat seinen Regierungssitz in der Londoner Downing Street. Doch wenn es nach der Opposition geht, dann überreizt der konservative Politiker seine Zeit in der Hausnummer 10. „Er hält Nummer 10 besetzt, weil er zu schwach ist, sich dem Land zu stellen“, schimpft die größte Oppositionspartei Labour und wirft Sunak vor, Parlamentswahlen hinauszuzögern.

Spätestens im Jänner 2025 müssen die Briten wählen. Über das genaue Datum wird seit Monaten spekuliert. Nun hat Sunak eine Abstimmung in der zweiten Jahreshälfte 2024 in Aussicht gestellt. Damit würde er seiner Partei mehr Zeit verschaffen, denn sollten die Umfragen stimmen, würden die Tories momentan die Wahl verlieren.

Bisher galt eine Abstimmung im Mai oder Oktober als wahrscheinlich, bevor dann im November Präsidentschaftswahlen in den USA stattfinden. Den exakten Termin legt die britische Regierung fest.

Dass Sunak nun auf den Herbst deutet, bringt ihm Kritik anderer Parteien ein. Der Abgeordnete Jonathan Ashworth von der sozialdemokratischen Labour Party sagte der BBC, er glaube, dass Wähler zu dem Schluss kämen, Sunak habe „Angst vor dem Urteil der britischen Öffentlichkeit“. „Und sie werden sich fragen, warum er weiterhin in der Downing Street hockt.“

Die Liberaldemokraten kritisieren Sunak als „Squatter“, also als Hausbesetzer. Damit haben die Engländer natürlich ihre Erfahrungen, denn in der Vergangenheit wurden auch in London Häuser besetzt. Das Wort wird auch verwendet für Leute, deren Mietvertrag ausgelaufen ist, die aber trotzdem in einer Wohnung wohnen bleiben.

Die Zeitung „Times“ listete in einer Analyse Gründe, warum die konservativen Tories die Wahl aufschieben. Die Inflation könnte weiter fallen – hier hatte Sunak tatsächlich recht behalten mit seinem Versprechen, die Teuerungsrate werde sich mindestens halbieren. Die Regierung hofft auch auf eine bessere Wirtschaftslage, kürzere Wartelisten beim Gesundheitsdienst und sinkende Migration.

Andererseits birgt die Strategie einer späteren Wahl auch Risiken. Wer weiß, was passiert? Womöglich könnten die Tories noch weiter verlieren. Kommentatoren betonen, Sunak habe sich ohnehin eine Hintertür offengehalten. Der 43-Jährige hatte gesagt, seine „Arbeitshypothese“ sei, dass die Wahl in der zweiten Jahreshälfte stattfinde. Klar ausgeschlossen hat er das Frühjahr damit nicht.

Bei Labour würde gerne Parteichef Keir Starmer in die Downing Street einziehen. Ein früher Wahltermin käme ihm angesichts der Umfragen gelegen. Wahlforscher John Curtice sagte der BBC dagegen, es scheine sich ein Konsens für den 14. November herauszubilden. Seiner Meinung nach muss man berücksichtigen, dass Sunak noch nicht lange im Amt ist – und deswegen vielleicht zumindest Ende Oktober zwei Jahre voll machen wolle.

Die Downing Street jedenfalls gehört neben dem Weißen Haus zu den bekanntesten Regierungssitzen. Täglich stehen Touristinnen und Touristen vor dem Eingang zu der kleinen Straße – die seit vielen Jahren mit einem großen Tor abgeriegelt ist. Hinter der schwarzen Tür von „10 Downing Street“ seien die wichtigsten Entscheidungen der britischen Politik gefällt worden, schreibt die Regierung. Die Adresse beispielsweise vom Kanzleramt dagegen? Dürfte selbst in Österreich kaum jemand wissen.

Und er würde gerne nachfolgen: Oppositionsführer Keir Starmer.UK Parliament
Und er würde gerne nachfolgen: Oppositionsführer Keir Starmer.UK Parliament